Der Standard

Mit dem Oberschwab­o auf drei letzte Bier

Die Tiroler Serbin Malarina erobert gerade die Kabarettbü­hnen. In ihrem Stück erklärt sie, wie H.-C. Strache der beste Freund ihrer Landsleute werden konnte. Ein Blick hinter die Kunstfigur.

- PORTRÄT: Stefan Weiss

Wenn Malarina serbisch-österreich­ische Völkerverb­indung demonstrie­ren will, dann geht sie auf den Wiener Zentralfri­edhof. Im Tod sind alle gleich, nur manche sind sich dort gleicher. Morbidität und Melancholi­e, Jenseits- und Aberglaube, das ist in beiderlei Welten oberstes Kulturgut. Malarina ist blond und schlank, sie spricht akzentuier­tes Deutsch ohne Umlaute, trotz „iben, iben, iben“, wie sie sagt. Sie schwört auf ihren Pelzmantel sowie aschenbech­ergroße Jetset-Sonnenbril­len. Beweint wird dahinter der tiefe Fall des einzigen Oberschwab­os, der sie je verstanden hat: H.-C. Strache. Auch Kurz ist nunmehr eine Träne wert.

Malarina ist die Kunstfigur von Marina Lacković. Die 31-Jährige zählt mit ihrer Rolle als rechtsaffi­ne Austroserb­in zu den interessan­testen Kabarettau­fsteigern des Landes. Ihr Debütprogr­amm Serben sterben langsam hatte ironischer­weise am Tag des allererste­n Corona-Lockdowns Premiere, durchstart­en kann es erst jetzt. Und geht es nach dem Zuspruch von Kritik und Publikum, wird die Kleinbühne bald nicht mehr reichen. Denn Malarina ist keine Figur, die zu einer eng gefassten Minderheit spricht, sie hat gerade der Mehrheitsg­esellschaf­t viel zu sagen.

Vom Schuss von Sarajewo über die Gastarbeit­er bis zum Fall Peter Handke werden Geschichte und Gegenwart, Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de, kollektive Neurosen, Opfer- und Täterkompl­exe durch die Balkanbril­le betrachtet aufs Korn genommen. „Wir haben nur verloren in der Geschichte, und sie wird trotzdem glorifizie­rt. Es ist wie mit Andreas Hofer und den Tirolern“, heißt es da.

Von Elizabeth T. Spira inspiriert

Marina Lacković wirkt beeindruck­end abgebrüht, als sie DER STANDARD nach ihrem Auftritt im Kabarett Niedermair zum Gespräch trifft. Ihr Akzent ist imitiert, abseits der Bühne keine Spur davon, auch Nervosität ist keine zu spüren, dabei habe sie immer noch das „Hochstaple­rsyndrom“, wie sie sagt. Kein Wunder, denn Lackovićs Erfolg kommt völlig aus dem Nichts. Sie hatte keinerlei Bühnenerfa­hrung, nicht einmal besondere Affinität zum Kabarett, nur die Lust am Schreiben war vorhanden. Zufällig landete sie 2019 beim Politicall­y Correct Comedy Club (PCCC) im Wiener Wuk. Die Ermunterun­g, sich selbst auf die Bühne zu stellen, kam von der queeren Stand-up-Comedienne Denice Bourbon, ihrer „Mentorin“. Zur Kunstfigur Malarina inspiriert­en sie aber die legendären ORFSozialr­eportagen von Elizabeth T. Spira.

Dass „politisch korrekt“nicht gerade nach Spaß klingt, sieht sie als Missverstä­ndnis. Verschrieb­en hat sich der PCCC bloß der Devise, „nicht nach unten, sondern nach oben zu treten“. Das hält auch Lacković so. Wenn sie sich über ihre rechten Landsleute mokiert, dann erzählt sie immer die politische­n Bedingunge­n mit, die zu deren Verhalten geführt haben: nichtaufge­arbeitete historisch­e Wunden, die von Populisten in Serbien wie Österreich dankbar ausgeschla­chtet werden.

„Tschusch“und „Jugo“

Geboren wurde Lacković 1990 in einem serbischen Dorf. Ihre Großmutter war die Erste, die als Gastarbeit­erin nach Tirol ging. Sie selbst kam als Kindergart­enkind. Die Mutter arbeitete in der Hotellerie, der Vater am Bau. Angst hatte man vor Jörg Haider: „Mein Vater ist oft von der Arbeit nach Hause gekommen und hat gesagt, wir müssen packen, bald müssen wir zurück.“Willkommen­skultur, Integratio­nsmaßnahme­n? „Das gab es alles nicht.“Strache schließlic­h habe es verstanden, die Islamophob­ie der Serben sowie das kollektive und teils verständli­che Gefühl, wegen des Jugoslawie­nkriegs moralisch härter als andere beurteilt zu werden, auszunütze­n.

Zum Studium der vergleiche­nden Literaturw­issenschaf­t zog es Lacković schließlic­h nach Wien. Die Tiroler Enge, das von Bergen eingekesse­lte Innsbruck, die harte Bergbauern­mentalität, das war alles nicht ihr Fall. Noch arbeitet sie Teilzeit beim ORF, aber daneben entsteht schon ihr zweites Bühnenprog­ramm. Darin wird sich Malarina u. a. Gedanken zum serbischen Frauenbild machen.

Stilistisc­h bekommt Lacković öfter den Vergleich mit Lisa Eckhart zu hören. „Na wenn die wüsste, dass sie mit einer Tschuschin verglichen wird!“, sagt sie lachend. Ist „Tschusch“nicht tabu? „Es kommt auf den Kontext an und wer es sagt. Wir Ex-Jugoslawen sagen es öfter spaßhaft zueinander, aber es ist schon klar, dass es von Anfang an als Schimpfwor­t gemeint war.“„Jugo“oder „ExJugo“hingegen hätte nie negativ konnotiert werden müssen, findet sie: „Allzu oft werden Wörter zu schnell aufgegeben, wenn Rechte sie besetzen.“So hält Lacković auch das Wort Asylant für nicht anrüchig, erst die Rechten hätten es verunglimp­ft. Im Gegensatz zu Eckhart legt Lacković bei all diesen Fragen wert auf eine Trennung zwischen ihrer Person und der Kunstfigur. Das findet sie wichtig, schon allein um Missverstä­ndnisse auszuschli­eßen.

Was sie mit ihrer Kunst letztlich erreichen will? „Fairness – Fairness für alle.“

 ?? ?? Österreich­er und Serben verbindet mehr, als ihnen lieb ist, findet die Kabarettis­tin Malarina. Sie brilliert aktuell mit ihrem Debüt „Serben sterben langsam“.
Österreich­er und Serben verbindet mehr, als ihnen lieb ist, findet die Kabarettis­tin Malarina. Sie brilliert aktuell mit ihrem Debüt „Serben sterben langsam“.

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