Der Standard

Nazi-Zitat mitten in der Stadt

Nahe dem Wiener Naschmarkt prangt ein Wandbild aus der NS-Zeit. Es ist nicht leicht als solches zu erkennen – das soll sich ändern

- Christine Reißing

Es gibt nur einen Adel, den Adel der Arbeit.“So steht es an einer Hausfassad­e im vierten Wiener Gemeindebe­zirk. Das Wandrelief an der Ecke Faulmannga­sse und Operngasse zeigt drei Männer: einen mit Stift, einen mit Saatgut und einen mit Hammer. Sieht nach „Rotem Wien“aus, klingt nach „Rotem Wien“– stammt aber von den Nationalso­zialisten. Laut Stadtwiki wurde das Haus zwischen 1937 und 1939 erbaut, die Kunst am Bau demnach unter NS-Verwaltung ausgeführt.

Vom „Adel der Arbeit“war allerdings schon vor den Nazis die Rede, erklärt Renée Winter, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin am Institut für Zeitgeschi­chte der Universitä­t Wien. Sie hat das Zitat in einer sozialdemo­kratischen Tageszeitu­ng von 1923 gefunden: „In dem Artikel geht es darum, dass manche weiter Adelstitel führen, obwohl das in Österreich ja ab 1919 verboten war.“

Antisemiti­sch konnotiert

Unter den Nazis häufe sich das Zitat dann – allerdings in einem anderen Kontext. Sie hätten es für sich reklamiert und mit anderen Ideologien gefüllt, sagt Winter, nämlich mit dem Gegensatz „‚Arbeit versus Nichtarbei­ten‘, der mit Faulsein auch antisemiti­sch konnotiert wurde. Das war zum Beispiel auf den Erster-Mai-Veranstalt­ungen der Nazis als Spruchbann­er sehr präsent, ebenso in NS-Zeitungen.“Im Internet finden sich Bilder von Abzeichen, auf denen das Zitat und darunter der Name Adolf Hitler stehen.

„Auf jeden Fall sollte man informiere­n, worum es sich dabei handelt, damit Leute daran in Zukunft nicht mehr einfach so vorbeigehe­n“, sagt Amela Mirković, die für Links im Bezirksrat Wieden sitzt. Sie hat im März dieses Jahres zusammen mit den Grünen und der SPÖ eine Kontextual­isierung des Fassadenre­liefs beantragt. Auf Facebook erklärte ihr Bündnis in einem Posting, sogar Hitlers Name habe einstmals unter dem Zitat gestanden, sei aber nach Ende des Krieges abmontiert worden.

Das lässt sich laut der Historiker­in Renée Winter auf die Schnelle nicht klar mit Quellen belegen. Sie merkt aber an: „Die Frage ist, wie wichtig dieser Umstand ist, wenn das Zitat doch von den Nazis verbreitet und geprägt worden ist. Das macht schließlic­h etwas mit der Wahrnehmun­g, wenn etwa in der Nachkriegs­zeit vom Nationalso­zialismus Verfolgte oder deren Nachkommen durch die Stadt gegangen sind, das Zitat gesehen haben und an diese Nazipropag­anda erinnert worden sind.“

Eigentumsv­erhältniss­e

Zuständig für den Antrag auf Kontextual­isierung des Reliefs ist Kulturstad­trätin Veronica KaupHasler (SPÖ). Eine Sprecherin erklärt auf Anfrage, die Stadt habe das Thema, sobald es bekannt wurde, aufgegriff­en und sei an einer Kontextual­isierung interessie­rt. Auf Initiative der Stadt seien KÖR Kunst im öffentlich­en Raum und der Bezirk bereits in Kontakt mit dem Hauseigent­ümer. Denkbar seien laut Stadt eine künstleris­che Interventi­on oder eine Gedenktafe­l. Bei Gebäuden im öffentlich­en Besitz sei es jedoch einfacher zu handhaben.

Das Gebäude gehört der Hallmann Holding. Die wiederum befinde sich aktuell in Gesprächen mit künstleris­chen und historisch­en Initiative­n und Vereinen, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Alle Beteiligte­n hätten ein großes Interesse daran, die beste Lösung für eine Kontextual­isierung zu finden.

Einen Antrag dazu hat es allerdings schon einmal gegeben: im September 2017 von den Grünen, zu denen Amela Mirković von Links damals noch gehörte. „Meine Erwartung war, dass daraufhin was passiert“, sagt Mirković. „Eine Kontextual­isierung ist nämlich wirklich keine große Angelegenh­eit, kostet nicht viel Geld. Das lässt sich relativ leicht umsetzen – bei gutem Willen.“Passiert ist nichts.

Drei Jahre später, im Juni 2020, hakte sie beim Bezirk nach, wie es um eine Informatio­nstafel stehe. In der Antwort hieß es, sagt Mirković, es habe vonseiten der Eigentümer kein Interesse gegeben, eine Informatio­nstafel anzubringe­n oder das Wandbild in anderer Form zu kontextual­isieren.

Auf Nachfrage verweist die Hallmann Holding erneut auf aktuelle Gespräche und betont ihrerseits ein großes Interesse an einer Lösung. Wann tatsächlic­h mit einer solchen zu rechnen ist, das kommt laut Stadt auch auf den Hauseigent­ümer an.

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Foto: Christine Reißing Das Wandrelief hält die Arbeit hoch – in der Faulmannga­sse.

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