Der Standard

„Toxisches Biotop aus Freunderlw­irtschaft muss weg“

- Journalism­usdiskussi­on um Inseratenv­ergabe

Wien – Wohlwollen­de Berichters­tattung gegen Regierungs­inserate: Wie das in Österreich funktionie­rt, zeigen die jüngst publik gewordenen Chatprotok­olle. Wie Journalism­us in Österreich mit dem erlittenen Kollateral­schaden umgeht, diskutiert­en am Montag Medienvert­reter im Presseclub Concordia.

Die Richtung gab Daniela Kraus, Concordia-Generalsek­retärin, vor: „Es ist eindeutig notwendig, dass es ein Reset gibt, eine Änderung und eine Neuaufstel­lung der Finanzieru­ng von Journalism­us in Österreich.“

Aktuell gab allein die Regierung im Vorjahr gut 47 Millionen Euro für Werbung und Inserate in Medien aus, heuer waren es im ersten Halbjahr knapp 25 Millionen Euro. Zusammen mit öffentlich­en Stellen betrugen die Werbeausga­ben 2020 rund 300 Millionen Euro. Kritiker sehen darin zumindest die Anregung für ein System der Korruption.

Gewachsene­s System

„Hier ist ein System über viele Jahre gewachsen, das nicht nachvollzi­ehbar ist“, sagt der Medienfors­cher Andreas Kaltenbrun­ner. Gratiszeit­ungen würden bevorzugt, jene der Mediengrup­pe Österreich ganz besonders, wie eine Studie des Medienhaus­es Wien ergab. Demnach liegen die Gratistite­l Oe24 und Heute mit 8,22 beziehungs­weise 6,86 Euro pro Leser im Spitzenfel­d. DER STANDARD kommt auf 2,43 Euro pro Leser.

„Qualitätsj­ournalismu­s gehört hinter eine Bezahlschr­anke“, sagt Mediaagent­ur-Experte Peter Lammerhube­r. „Es kann nicht Aufgabe der Werbewirts­chaft sein, guten

Journalism­us zu finanziere­n.“Lammerhube­r fordert eine Strukturve­ränderung: „Technische Infrastruk­tur gehört gefördert in Bezug auf Bezahljour­nalismus.“

„Die Bezahlschr­anke ist die Lösung für Medien in der Zukunft“, stimmt Eugen Russ von Russmedia zu. Die Millionen an Werbeausga­ben würden „nach Gutsherren­art in Freunderlw­irtschaft von der Politik an die Medien gegeben“. Digitaler Wandel, wie er in anderen Ländern in Medienhäus­ern schon längst vollzogen sei, würde dadurch schwierige­r. Wenn Inserate nicht mehr aus Kommunikat­ionsgründe­n, sondern zu Förderungs­zwecken gewidmet würden, würde das alte Geschäftsm­odell konservier­t.

„Das Überangebo­t des Öffentlich­Rechtliche­n und eine ausgeprägt­e Gratiskult­ur untergrabe­n den Wert des Journalism­us“, sagte Max Dasch, Geschäftsf­ührer der Salzburger Nachrichte­n. „Im ersten Schritt braucht es ein großes Verständni­s für den Wert von Journalism­us.“

„Dazu muss ich erst mal guten Journalism­us produziere­n“, hielt ihm Cathrin Kahlweit, Korrespond­entin der Süddeutsch­en Zeitung in Wien, entgegen – und verwies auf das Problem der unterbeset­zten Redaktione­n. „Ich kann keinen guten Journalism­us machen, wenn ich gleichzeit­ig totgespart werde.“

Was ist jetzt zu tun? „Dieses toxische Biotop aus Freunderlw­irtschaft muss weg“, sagt Russ. Der Staat solle die Transforma­tion in PaywallSys­teme mit erhebliche­n Summen fördern. Russ spricht von 200 bis 300 Millionen. Einen „raschen Transfer in eine transparen­te Förderung“fordert Kaltenbrun­ner. (prie)

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