Der Standard

Nachruf auf die Message-Control

Tarnen und Täuschen auf Kosten der Steuerzahl­er muss endlich beendet werden

- Rainer Schüller

Und, was heißt das jetzt?“Diese Frage stellte eine Journalist­in Sebastian Kurz, als dieser am Freitagabe­nd noch einmal erklärt hatte, was er wortgleich schon untertags gesagt hatte: Er bleibe. Die Stellungna­hme von Kurz war deswegen so erstaunlic­h, weil er nach einer pompösen Ankündigun­g dann nichts Neues verkündet hatte. Der einzige Grund für seinen Auftritt war, dass Vizekanzle­r Kogler zur selben Zeit von einem „erschrecke­nden Bild im Zentrum der ÖVP“sprach. Kurz und sein Team wollten Kogler nicht das Heft des Handelns überlassen. Sie wollten die Message-Control nicht abgeben.

Diese Kontrolle war ein wesentlich­es Merkmal der Ära Kurz. Sein enger Zirkel um seine Berater, um seine Pressespre­cher, um seinen Medienbeau­ftragten überließ nichts, aber auch gar nichts dem Zufall. Jeder einzelne Auftritt von Vertreteri­nnen und Vertretern des türkisen Teams war genau abgeklärt, jedes Foto so inszeniert, damit es einzig auf das Konto von einem einzahlte: Sebastian Kurz. I nhalte waren sekundär, die Themen wurden so gestreut, dass sie dem ÖVP-Parteichef möglichst viel Zustimmung brachten. Und wenn es einmal enger wurde, weil es Vorwürfe oder Beschuldig­ungen gab, dann war die Schublade voll mit vorbereite­ten Ablenkungs­geschichte­n, die über den Boulevard und soziale Netzwerke so lange gespielt wurden, bis die Algorithme­n von Instagram, Facebook und Co die Kritik aus der Timeline spülten.

Legendär sind auch diverse Fernsehint­erviews von loyalen Ministerin­nen und Ministern, die bis zur Selbstaufg­abe auf kritische Fragen von Journalist­en mit immer denselben Stehsätzen geantworte­t haben. Oder seltsame Pressekonf­erenzen, bei denen manchmal einfach nur erklärt wurde, dass es in ein paar Tagen eine Pressekonf­erenz geben wird.

„Stay on the Message!“: Auch wenn das belächelt wurde und mitunter auch peinlich war, so hatte der türkise Propaganda-Apparat letzten Endes doch immer wieder Erfolg. Selbst das Nichtssage­n wurde oft zur medialen Geschichte, die über Tage Zeitungsse­iten und Kommentars­palten gefüllt hatte. So wurden Ressourcen von Medien gebunden, die echten Skandale gerieten in manchen Medien in den Hintergrun­d.

Keine andere Partei spielte das so exzessiv wie die Kurz-ÖVP. Die eingeschwo­rene Truppe schaffte es über weite Strecken, das mediale Klavier teils so zu bedienen, wie sie wollte. Tarnen und Täuschen war ihre Spezialitä­t.

Stimmen die Vorwürfe um die Inseratena­ffäre, dann könnten auch kriminelle Methoden angewandt worden sein. Wenn man bedenkt, dass alles auf Kosten der Steuerzahl­er geschah, dann wird erst klar, wie perfide die Kurz’schen Meinungsma­cher gearbeitet haben.

Nun sind die meisten davon beurlaubt. Sie werden nicht fehlen. Weder dem Land noch dem Journalism­us. Spannend wird, wie Kurz ohne diesen Schutzwall funktionie­ren wird. Der ÖVP und den anderen Parteien ist zu raten, auf derartige Methoden zu verzichten. Alle Medien sollten genau darauf achten.

Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen hat dazu aufgerufen, zur Arbeit zurückzuke­hren. Mit Pandemie und Klimakrise gibt es genug zu tun. Dafür braucht es keine Pseudopres­sekonferen­zen, die Fragen erzeugen, statt Antworten zu liefern. Dafür braucht es eine Politik, die bereit ist, Österreich zu dienen – auch über den kritischen Diskurs.

Newspapers in German

Newspapers from Austria