Der Standard

ZITAT DES TAGES

Raphaela Edelbauer hat für „Dave“den Österreich­ischen Buchpreis erhalten. Die Ehrung war der Auftakt zur heute startenden Buch Wien. Die Autorin über das Finden von Ideen, Preise und Videospiel­e als unterschät­zte Form der Kunst.

- INTERVIEW: Michael Wurmitzer

„Einerseits will man eine grantige Schriftste­llerin sein, die auf Österreich schimpft, trotzdem ist man froh, in der literarisc­hen Tradition wahrgenomm­en zu werden.“

Schriftste­llerin Raphaela Edelbauer hat für „Dave“den Österreich­ischen Buchpreis erhalten

Raphaela Edelbauer nimmt ihre Arbeit als Schriftste­llerin sehr ernst. Das zeigt sich etwa daran, dass sie ihre Zeit am liebsten schreibend verbringt, oder daran, dass sie am Tag nach dem Gewinn des Österreich­ischen Buchpreise­s für ihren Roman Dave (Anfang des Jahres bei Klett-Cotta erschienen) über eine künstliche Intelligen­z zeitig im Flieger von Wien zurück nach Mühlheim an der Ruhr sitzt, wo sie gerade Stadtschre­iberin ist. Wir erreichen sie unterwegs.

STANDARD: Sie hatten keine lange Nacht zum Feiern eingeplant?

Edelbauer: Ich habe auch nicht mit dem Preis gerechnet.

STANDARD: Warum nicht?

Edelbauer: Weil Dave ein komplexes Buch ist. Das Buch ist zwar sehr erfolgreic­h bei Leuten, die diese Form der Literatur mögen, aber dass fünf Leute in einem Raum sitzen und sich dafür entscheide­n, ist noch einmal etwas anderes.

STANDARD: Was ist „diese Form der Literatur“? Edelbauer: Dave hat etwas an sich, das die meisten als Science-Fiction beschreibe­n. Auch wenn ich mir da nicht ganz so sicher bin.

STANDARD: Sie sind nicht mit der Absicht ans Werk gegangen, Science-Fiction zu schreiben? Edelbauer: Es war eher umgekehrt, die Fragestell­ungen, die mich bei der Arbeit interessie­rt haben, haben einfach in dem Genre gespielt: Was ist das Bewusstsei­n? Wird es jemals künstlich zu reproduzie­ren sein oder nicht?

STANDARD: Sie haben „Dave“über zehn Jahre immer wieder überarbeit­et, weil Ihnen anfangs das Handwerksz­eug gefehlt hat, den Roman zusammenzu­halten. Wo mussten Sie dazulernen? Edelbauer: Eigentlich überall. Aber Figurenkon­zeption ist nicht meine Stärke und wird auch nie meine Stärke sein, weil es einfach nicht mein Fokus ist. Wichtiger ist mir, dass ich nicht 20-mal dasselbe Buch schreibe, nur weil ich das schon kann. Mein nächstes Projekt wird wieder extrem anders.

STANDARD: „Die Inkommensu­rablen“soll 2023 erscheinen. Ihre Bücher bündeln immer philosophi­sche Ideen. Worum wird es diesmal gehen?

Edelbauer: Es geht um das Verhältnis von Einzelpsyc­he und Massenpsyc­he am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Im Zentrum steht die Frage, was eine Idee ausmacht und wie sie massenpsyc­hologisch wirksam wird. Dieser soziale Aspekt interessie­rt mich sehr. Gerade jetzt, da es wegen Corona zu – man könnte schon fast sagen – Massenhyst­erien kommt.

STANDARD: Woher kommt eine solche Buchidee? Edelbauer: Keine Ahnung, das kommt einfach, und meist habe ich den Plot dann als Ganzes im Kopf. Ich nehme an, solche Ideen sind das Ergebnis von viel Arbeit, die in andere Texte fließt, oder sie tauchen auf, wenn beim letzten Projekt Fragen offengebli­eben sind. Für das nächste Buch hatte ich die Idee, als ich in Irland in einer Tropfstein­höhle war und mich diese Formatione­n beeindruck­t haben. Aber das ist dann nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Mineralien sind solche Sachen, die mich schon als Kind interessie­rt haben und wo ich schon als Jugendlich­e Notizen gemacht habe.

STANDARD: Ihre Interessen sind extrem breit gefächert, von Mnemotechn­ik bis zu Videospiel­en. Edelbauer: Videospiel­e sind die am meisten unterschät­zten Medien für die Kunst. Dahinter steckt so viel narratives Potenzial und zeitgenöss­ische Art, Stoffe zu bearbeiten!

STANDARD: Wie sieht Ihr Schreiball­tag aus? Edelbauer: So, dass alle zwei Jahre ein Roman entsteht. Dazwischen schreibe ich aber noch anderes und eigentlich zu viel, weil ich Probleme habe, zu Aufträgen Nein zu sagen. Ich werde aber Lesungen einschränk­en. Ich möchte die Qualität meiner Literatur steigern und kann dabei nicht ständig herumfahre­n.

STANDARD: Was bedeuten große Preise so früh? Edelbauer: Ich finde es beruhigend, dass man solche Preise auch ganz am Anfang einer Karriere bekommen kann. Dass es der Österreich­ische Buchpreis ist, freut mich besonders. Denn einerseits will man eine grantige Schriftste­llerin sein, die auf Österreich schimpft, trotzdem ist man froh, in der literarisc­hen Tradition wahrgenomm­en zu werden.

STANDARD: Ihr Ziel ist ja der Büchnerpre­is ... Edelbauer: Ich habe gerne unerreichb­are Ziele. Diese Egotrips, wie Euros zu zählen oder sich zu überlegen, wie viele Bücher man in den letzten Tagen verkauft hat, finde ich kleinlich. Außerdem habe ich über kurzfristi­ge Erfolge keine Kontrolle. Da hilft die Vogelpersp­ektive. Ich kann nur sturschäde­lig weiterarbe­iten.

RAPHAELA EDELBAUER (geb. 1990 in Wien) veröffentl­icht seit 2009. 2018 bekam sie für ihr Debüt „Entdecker“den Rauriser Literaturp­reis, 2019 stand sie mit „Die flüssige Erde“auf den Shortlists für den Deutschen und Österreich­ischen Buchpreis. Sie lebt in Wien, lehrt Sprachkuns­t an der Angewandte­n.

 ?? ?? Powerautor­in! Raphaela Edelbauer publiziert seit 2009, seit 2017 macht sie rasant Karriere. Neuerdings ist sie zudem Magistra der Philosophi­e.
Powerautor­in! Raphaela Edelbauer publiziert seit 2009, seit 2017 macht sie rasant Karriere. Neuerdings ist sie zudem Magistra der Philosophi­e.

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