Der Standard

Karas will EU-Parlaments­präsident werden

EU-Abgeordnet­er der ÖVP mit drei starken Frauen im Rennen um Sassoli-Nachfolge

- Thomas Mayer aus Brüssel

Othmar Karas will es noch einmal wissen. Der langjährig­e EU-Abgeordnet­e der ÖVP, der seit den Europawahl­en 1999 ohne Unterbrech­ung ein Mandat in Straßburg und Brüssel hat, gab am Dienstag bekannt, dass er sich um das Amt des Präsidente­n des Europäisch­en Parlaments bewerben wird.

Das hatte er schon einmal, 2017, in Angriff genommen, als er den SPD-Mann Martin Schulz beerben wollte, der in Deutschlan­d Kanzlerkan­didat wurde – aber ohne Erfolg. Es wurde Antonio Tajani aus Italien. Derzeit steht David Sassoli an der Spitze der Volksvertr­etung.

Der Italiener war gemäß einer Absprache zwischen den größten Parlaments­fraktionen, Christdemo­kraten (EVP) und Sozialdemo­kraten (S&D), mit breiter Mehrheit gewählt worden. Die Vereinbaru­ng sieht vor, dass ab der Hälfte der Legislatur­periode, die bis Mai 2024 dauert, ein Christdemo­krat den Sozialdemo­kraten Sassoli ersetzt. Bis zum Sommer galt als sicher, dass EVP-Fraktionsc­hef Manfred Weber „nachrücken“werde. Der Deutsche gab aber vor wenigen Wochen überrasche­nd bekannt, dass er sich nächsten April

um den Job des Chefs der Europäisch­en Volksparte­i (EVP), Dachpartei aller christdemo­kratischen Parteien, bewerben werde. EVP-Chef Donald Tusk tritt ab, weil er sich auf die nächsten Wahlen in Polen konzentrie­ren möchte.

Schon einmal Kandidat

All das führt nun dazu, dass aus dem Kreis der EVP-Mandatare ein Favorit oder, besser, eine Favoritin für das EU-Parlament gefunden werden muss. Die Wahl findet traditione­ll in der ersten Plenarsitz­ung zu Jahresbegi­nn statt.

Darin sieht der 63-jährige Karas, der eine lange ÖVP-Karriere hinter sich hat, seine Chance. Er begann einst als Chef der Jungen ÖVP, war Nationalra­tsabgeordn­eter, ÖVP-Generalsek­retär. Sein Herzenswun­sch, Minister zu werden, wurde ihm nie erfüllt. Zuletzt hat er sich von seiner Partei innerlich entfernt, pflegte im EUParlamen­t seit Sommer

2019 eine Solitärrol­le als EP-Vizepräsid­ent (was er zwischen 2012 und 2014 schon einmal gewesen war). Nun also will Karas nach ganz oben. „Ich stehe politisch in der Mitte, bin unabhängig und verstehe mich als zukunftsor­ientierter Brückenbau­er“, begründete er seine Absichten. Seine ÖVPKollege­n in Straßburg hätten ihm bereits Unterstütz­ung zugesagt.

Dennoch wird es für Karas nicht leicht, von seiner eigenen EVP-Fraktion mit insgesamt 179 Mandataren nominiert zu werden, wie er hofft, und dann eine Mehrheit unter allen 705 EU-Abgeordnet­en zu finden.

In der EVP gibt es mehrere Mitbewerbe­r, und alle sind weiblich: Da ist zunächst Roberta Mestsola (42) aus Malta, die bisher als Vizepräsid­entin stark aufgetrete­n ist, ebenso die aus den Niederland­en stammende Christdemo­kratin Esther de Lange, 46 Jahre alt. Beide sind in Straßburg gut vernetzt. Mit Ewa Kopacz (64), bis 2015 Premiermin­isterin in Polen, gibt es auch noch eine starke vierte EVP-Kandidatin. Wer das Rennen mache, sei offen, heißt es in der Fraktion, eine der Frauen habe wohl die besseren Chancen als Karas, für den 22 Jahre Erfahrung im EUParlamen­t sprechen. Die Bewerbungs­frist läuft bis 22. November.

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Foto: Imago Vizepräsid­ent Othmar Karas will Präsident werden.

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