Immer mehr Eingriffe werden verschoben
Österreichweit sind 403 Corona-Intensivbetten belegt. Die Situation in Oberösterreich spitzt sich zu: Es werden kaum mehr planbare Operationen durchgeführt. In den Salzkammergut-Kliniken sind von 18 OP-Sälen nur sieben in Betrieb.
Die Entwicklung hat sich mit den massiv steigenden Corona-Neuinfektionszahlen abgezeichnet und war nur noch eine Frage der Zeit. Am Dienstag benötigten erstmals seit 9. Mai wieder mehr als 400 Patientinnen und Patienten eine intensivmedizinische Betreuung. Konkret waren 403 Corona-Intensivbetten belegt – um gleich 26 mehr als am Montag. Die Tendenz nach oben, so sind sich die Expertinnen und Experten einig, wird sich in den kommenden Tagen fortsetzen. Denn jene Patientinnen und Patienten, die in dieser Woche auf die Intensivstationen verlegt werden müssen, haben sich längst mit Covid-19 infiziert. Danach ist offen, welche Auswirkungen die strengere 2G-Regel im Freizeitbereich sowie die zusätzlichen Impfungen haben werden.
Die Situation in den Spitälern spitzt sich jedenfalls zu. In Oberösterreich etwa, dem Impfschlusslicht und Corona-Hotspot, gibt es bereits 79 Covid-Intensivfälle (siehe Grafik). Seit Montag sind zwei zusätzliche Intensivbetten belegt. Weil die Belastung auch durch andere Krankheiten oder Unfälle sehr hoch sei, müssten planbare Operationen „zu großen Teilen verschoben werden“. Das berichtete schon vergangene Woche ein Vertreter Oberösterreichs in der nicht öffentlichen Sitzung der Corona-Kommission.
Die aktuelle Sachlage stellt sich in einigen Gebieten aber noch dramatischer dar. So sind im Salzkammergut-Klinikum mit den drei Standorten Bad Ischl, Gmunden und Vöcklabruck von planmäßig 28 Intensivbetten gleich zwölf von Corona-Infizierten belegt. Rechnet man mit ein, dass für Akutfälle wie Herzoperationen oder Unfälle einige Betten freigehalten werden müssen, ist derzeit rund die Hälfte aller verfügbaren Intensivbetten mit CoronaFällen belegt.
Elf OP-Säle gesperrt
„Wegen Corona mussten wir andere Abteilungen sperren und massiv ambulante Leistungen zurückfahren“, sagte Tilman Königswieser am Dienstag dem STANDARD. Er ist ärztlicher Direktor des Salzkammergut-Klinikums und Teil des Krisenstabs des Bundeslandes. So muss Personal für die intensive Betreuung von Corona-Erkrankten umgeschichtet werden. Resultat: „Von 18 OP-Sälen in unseren drei Standorten
haben wir aktuell nur sieben in Betrieb“, sagt Königswieser.
Allein in der vergangenen Woche mussten nur an den drei Standorten „mehr als 170 operative Eingriffe“verschoben werden. Damit sind auch massive Einschnitte für Personen verbunden, die mit anderen Erkrankungen abseits von Corona zu kämpfen haben. Geplante nicht lebensnotwendige Operationen finden laut Königswieser kaum bis gar nicht mehr statt.
Der leitende Mediziner macht die niedrige Impfquote im Bundesland für den Status quo verantwortlich. Die Kliniken müssten sich daher darauf vorbereiten, dass sich die Situation in den kommenden Tagen weiter verschärfen könnte. Und wenn die Kurve noch ein, zwei Wochen steige, „wird es knapp“, meint Königswieser. Was das bedeutet? „Die Spitäler könnten in die Situation kommen, dass wir dann auch Akutes und Dringliches nicht mehr in der gewohnten Qualität abarbeiten können.“
In Oberösterreich sind von den 79 Corona-Intensivpatienten mit Stand Dienstag mehr als zwei Drittel ungeimpft. Das heißt aber auch, dass sich aktuell 24 Geimpfte mit Impfdurchbrüchen
in Intensivbetten befinden. Laut Königswieser sind diese Fälle zumindest in den SalzkammergutKliniken aber „allesamt medizinisch erklärbar. Es sind zumeist ältere Personen, bei denen der Zweitstich von Astra Zeneca rund ein halbes Jahr her ist. Oder die Personen weisen schwerwiegende Vorerkrankungen auf.“
Mehr verschobene OPs
Neben Oberösterreich gaben auch Wien, Kärnten oder Salzburg bekannt, dass sie wegen der CoronaEntwicklung wieder planbare, nicht lebensnotwendige Operationen verschieben müssen. Dabei herrscht in Wien seit etwa eineinhalb Monaten auf erhöhtem Niveau eine halbwegs stabile Situation auf den Corona-Intensivstationen. In Salzburg sind aktuell 25 Corona-Intensivbetten belegt. Vor einer Woche waren es 13. Der Anstieg habe „natürlich“große Auswirkungen wie verschobene Operationen von nicht an Corona erkrankten Personen, sagt Wolfgang Fürweger von den Salzburger Landeskliniken. Ab kommender Woche werden zur Unterstützung wieder planbare OPs an Privatspitäler ausgelagert.
Eine Grenze ist längst überschritten: die der Menschlichkeit, des Anstands, ja der Selbstachtung eines Staates. Wenn Belarus gezielt Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien oder dem Irak ins Land lockt, um an seiner Westgrenze den Migrationsdruck auf die EU zu erhöhen, dann ist der Gipfel des Zynismus wohl erreicht.
Menschen als „lebende Schutzschilde“– das kennt man aus vielen Konflikten. An der Grenze von Belarus zu Polen, Litauen und Lettland jedoch werden Flüchtlinge zu unbewaffneten Söldnern gemacht, deren Lohn nicht Geld ist, sondern die vage Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa. Im Grenzgebiet allerdings erwartet sie häufig nichts als Kälte und Hunger, der Pushback nach Belarus und manchmal sogar der Tod.
Man kann die Situation immer weiter durchdenken und stößt auf immer weitere abstoßende Details. Dass etwa Alexander Lukaschenko, der Machthaber in Minsk, nach eigenem Bekunden die Menschen auf ihrem Weg in den „gemütlichen Westen“nicht aufhalten will, ist auch das ungenierte Eingeständnis, dass in seinem eigenen Staat ohnehin niemand bleiben will. Es ist die Selbstdefinition als Diktatur, die gar nichts anderes sein kann als eine Durchgangsstation für Verzweifelte.
Vor allem aber zeugt es von mitleidloser Genugtuung darüber, dass diese Verzweifelten meist nicht willkommen sind – ausgerechnet in jenem „gemütlichen Westen“, der sich in Lukaschenkos Augen moralisch überlegen gibt, durch das Zurückdrängen Geflüchteter aber seine eigenen Standards allzu rasch buchstäblich in den Morast tritt.
Gerade deshalb darf sich weder Polen, wo besonders viele Menschen ankommen, noch die EU von Lukaschenko in einen Wettkampf drängen lassen, in dem Migrantinnen und Migranten als Spielbälle zwischen beiden Seiten hin- und hergestoßen werden. Voraussetzung dafür ist, dass Warschau und Brüssel über ihre aktuellen Konflikte hinwegsehen und diesmal an einem Strang ziehen. Die Sprachlosigkeit infolge des Streits um Rechtsstaatlichkeit muss an dieser Stelle enden. Lukaschenkos Politik zielt darauf ab, sich für die gemeinsamen EU-Sanktionen gegen sein Regime zu revanchieren. Und die Grenze Polens zu Belarus ist die gemeinsame Außengrenze der EU. All das erfordert auch gemeinsame Antworten.
Für schwierige geopolitische Konflikte gibt es keine simplen Ad-hoc-Lösungen. Wenn die EU nun über ein erweitertes Sanktionsregime gegen Lukaschenko verhandelt, wird Polen mit den anderen an einem Tisch sitzen. Gleichzeitig aber gibt es in den schlammigen Wäldern in Europas Norden ein akutes Problem, das ebenfalls nicht durch Abschottung nach innen und außen gelöst werden kann. Im Gegenteil: Menschen sterben, die Lage kann jederzeit eskalieren. Die Abriegelung der Grenzregion, die die Hilfsorganisationen an der Arbeit hindert und dafür sorgt, dass Pushbacks und die humanitäre Misere vor Ort nicht dokumentiert werden können, trägt rein gar nichts zur Entspannung bei.
Alle in der EU sollten sich nun um bestmögliche Zusammenarbeit und größtmögliche Transparenz bemühen. Gerade wenn die Tragödie besonders groß ist, muss alles ans Tageslicht. NGOs, Medien und europäische Institutionen müssen ihre Arbeit tun können. Das geht nicht im Halbdunkel einer Sperrzone. Sonst gießt man am Ende lediglich Wasser auf Lukaschenkos Mühlen.