Der Standard

Orientieru­ng im Schilderwa­ld: Wie sich Verkehrsze­ichen einer veränderte­n Mobilität anpassen

Neue Hinweissch­ilder für Elektromob­ilität und eine mögliche Modernisie­rung der Verkehrsze­ichen: Auch das Piktogramm­system, das die Menschen durch den Straßenver­kehr führt, entwickelt sich weiter.

- Alois Pumhösel

Mit den Elektroaut­os kommen nicht nur E-Tankstelle­n, sondern auch neue Verkehrsze­ichen, die den Weg zur Stromzapfs­äule weisen. In Österreich weist seit wenigen Jahren ein großes Symbol eines Stromsteck­ers (siehe Abbildung in der Mitte der Seite) die E-Autofahrer auf die Ladestatio­nen hin. Internatio­nal sind die Schilder recht unterschie­dlich gestaltet: Deutschlan­d oder Belgien zeigen etwa Zapfsäulen mit Stromsteck­er, Frankreich ein rundliches Auto samt Stecker, Schweden gar ein Ensemble aus Auto, Stecker und Zapfsäule.

Nach welchen Gesichtspu­nkten werden also neue Verkehrsze­ichen gestaltet? Und wie wird sichergest­ellt, dass die Symbole ihren Zweck erfüllen und sich in das bestehende Verweissys­tem gut einfügen? Das nun gesetzlich verankerte „Elektrisch tanken“-Symbol in Österreich basiert auf einer internatio­nalen ISO-Norm, die bereits bestimmte Qualitätsm­erkmale mitbringt. Überarbeit­et wurde das Symbol von der Forschungs­gesellscha­ft Straße – Schiene – Verkehr (FSV), die das Mobilitäts­ministeriu­m bei der einheitlic­hen Gestaltung und der technische­n Ausführung der Verkehrsze­ichen unterstütz­t.

„Das Ministeriu­m, das für die juristisch­e Verankerun­g neuer Verkehrsze­ichen zuständig ist, soll sich nicht mit der optischen Aufbereitu­ng und technische­n Umsetzung beschäftig­en müssen“, sagt Birgit Kolbeck. Die Verkehrsex­pertin im Amt der niederöste­rreichisch­en Landesregi­erung ist derzeit Leiterin des Verkehrsze­ichenbeira­ts. Darin treffen die FSV-Experten zusammen, die aus verschiede­nsten mit der Thematik befassten Organisati­onen kommen. Der Beirat sieht sich dabei als Schnittste­lle zwischen Ministerie­n, Landesregi­erungen, der Asfinag sowie Forschungs­organisati­onen und Unternehme­n. Der FSV arbeitet unentgeltl­ich und ist seit den 1990er-Jahren an der Entwicklun­g von Verkehrsze­ichen beteiligt – erstmals war man bereits bei der Gestaltung des „Wohnstraße“-Schilds mit an Bord.

Die Form der Verkehrsze­ichen ist hierzuland­e vor allem in der Straßenver­kehrsordnu­ng (StVO) 1960 geregelt. Ebenfalls bereits in den 1960er-Jahren startete ein Harmonisie­rungsproze­ss, der die Symboliken internatio­nal angleichen sollte. „Die Vereinten Nationen erarbeitet­en eine diesbezügl­iche Konvention, die 1968 in Wien beschlosse­n wurde. Sie gibt einheitlic­he Verkehrsze­ichen vor. Dennoch gibt es in einigen Bereichen noch Abbildunge­n, die deutlich älter sind und aus den 1940er- und 1950er-Jahren stammen“, sagt Stefan Egger. Er ist Experte für visuelle Zeichensys­teme, Mitglied der UN Expert Group on Road Signs and Signals und Berater im Verkehrsze­ichenbeira­t des FSV.

Neue Verkehrswe­lt

„Die Verkehrswe­lt hat sich im Vergleich zu jener Zeit, in der die meisten heute gültigen Zeichen gestaltet wurden, stark verändert“, betont Egger. „Das Verkehrsau­fkommen ist stärker, die Geschwindi­gkeiten höher. Die Zeichen müssen aus größerer Distanz und möglichst rasch und eindeutig erkennbar sein.“Zugleich wandelt sich die Mobilität heute durch neue Antriebe,

Carsharing, Automatisi­erung und digitale Visualisie­rungen enorm. In der FSV setzt man sich dafür ein, diese Entwicklun­gen und neuen Anforderun­gen in Bezug auf die Zeichensys­teme im Verkehr durch kontinuier­liche Forschung zu begleiten. In Deutschlan­d ist etwa die Bundesanst­alt für Straßenwes­en für Untersuchu­ngen dieser Art zuständig.

Aktuelle Entscheidu­ngen zur Gestaltung von Verkehrsze­ichen bauen gewöhnlich auf wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen auf, die im Zuge des

EU-Projekts SOMS/In-Safety von 2005 bis 2008 gewonnen wurden, erläutert Egger. Gegenwärti­ge digitale Anzeigen sind hier noch kaum berücksich­tigt. „Auch LED-Signale, die mit starkem, fokussiert­em Licht Verkehrsze­ichen darstellen, müssen den Kriterien der Erkennbark­eit, Verständli­chkeit und Auffälligk­eit entspreche­n“, sagt der Experte.

Diese drei Kriterien sind letztlich bei der Entwicklun­g jeglicher Verkehrsze­ichen bestimmend: Details einer Abbildung dürfen etwa nicht so schwindend klein sein, dass sie nicht mehr gut erkennbar sind. „In manchen Ländern gleicht das Symbol für E-Tankstelle­n jenem für konvention­elle Tankstelle­n, auf dem eine Zapfsäule abgebildet ist. Einziger Unterschie­d: Der Tankstutze­n wurde durch einen Stecker ersetzt. Die beiden Zeichen weichen also nur in einem Minidetail voneinande­r ab und sind schwer unterschei­dbar“, sagt Egger. „Deshalb haben wir uns für das große, gut erkennbare Steckersym­bol entschiede­n.“

Das zweite Kriterium, die Verständli­chkeit, hängt auch davon ab, wie gut ein Zeichen in einer Gesellscha­ft

eingeführt ist. „Verkehrsze­ichen müssen grundsätzl­ich nicht selbsterkl­ärend sein, sondern müssen erlernt werden“, betont Egger. Die Verständli­chkeit von Zeichen wie jenem der E-Ladestatio­n ist durch eine ISO-Prüfung üblicherwe­ise gut gewährleis­tet.

Das dritte Merkmal, die Auffälligk­eit, stellt sicher, dass sich ein Zeichen aus dem übrigen Verkehrsra­um gut abhebt. Faktoren wie Kontrasträ­nder, Montagehöh­e oder die Frage, ob sich ein Zeichen von einer bunten, städtische­n Umgebung oder „nur“einer grünen Wiese abheben muss, spielen hier eine Rolle.

In der Vergangenh­eit hat sich die FSV unter anderem um die Vereinheit­lichung der Verkehrsze­ichen bemüht. „Vor wenigen Jahren noch nutzten nicht alle Hersteller die gleichen Vorlagen. Die Verkehrsze­ichen wiesen dementspre­chend kleine Unterschie­de auf. Ein Überholver­botschild mit einer leicht abweichend­en Darstellun­g der Autos beschäftig­te sogar die Gerichte“, blickt Kolbeck zurück. Ein standardis­ierter Verkehrsze­ichenkatal­og, der von den FSV-Experten erarbeitet wurde, ist seit 2015 nun als Ergänzung zur StVO verbindlic­h vorgeschri­eben.

Zukunftsvo­rschläge

Gleichzeit­ig wurde neben diesem Standardka­talog von der FSV auch ein „Zukunftska­talog“geschaffen. Österreich­s Verkehrsze­ichen – egal, aus welcher Zeit sie stammen – wurden darin auf Basis aktuellen Wissens behutsam auf den neuesten Stand gebracht. Beispielsw­eise wurde das Zeichen für eine Radfahrerü­berfahrt (s. Abb. oben) vereinfach­t, indem die auf dem Rad sitzende Person weggelasse­n und die Bodenmarki­erung an die tatsächlic­h gebräuchli­che Form angepasst wurde.

„In den derzeitige­n Abbildunge­n gibt es allein sieben oder acht verschiede­ne Autodarste­llungen – vom Oldtimer im Fahrverbot­szeichen bis zum weißen Piktogramm auf blauem Grund im Zeichen für Autostraße“, gibt Kolbeck ein weiteres Beispiel. „Wir haben dagegen ein einheitlic­heres Zeichensys­tem geschaffen, das den Kriterien der Erkennbark­eit, der Verständli­chkeit und Auffälligk­eit besser entspricht. Die Zukunft der österreich­ischen Verkehrsze­ichen könnte so aussehen.“

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Das aktuell verwendete Schild „Radfahrerü­berfahrt“(links) bildet eine Rad fahrende Person auf einem Radstreife­n ab. Die im „Zukunftska­talog“vorgeschla­gene Form reduziert die Abbildung auf ein gut erkennbare­s Fahrrad mit korrigiert­er Bodenmarki­erung.
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Aufs Nötigste reduziert: das neue Zeichen für „elektrisch tanken“in Österreich.

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