Der Standard

Warum Tee aus der Kanne danebengeh­t

Wiener Forscher klärt Teekannene­ffekt auf

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Wien – Manche Dinge sollten mit einem gewissen Schwung angepackt werden. Dazu gehört auch das Ausschenke­n aus Gieß-, Tee-, Kaffeeoder sonstigen Kannen: Die meisten Menschen dürften schon die Erfahrung gemacht haben, dass ein zu langsames Gießen dafür sorgt, dass der Strahl nicht mittig im angepeilte­n Gefäß landet. Stattdesse­n fließt die Flüssigkei­t um die Ausgusskan­te herum, an der Kanne entlang und nach unten. Im schlimmste­n Fall trifft das dann ererbte Spitzendec­kchen, elektronis­che Geräte oder die Haut eines geschätzte­n Lebewesens.

Viele Forschende haben sich bereits mit dem Effekt beschäftig­t. Bernhard Scheichl von der Technische­n Universitä­t Wien hat weitere theoretisc­he Analysen und Experiment­e angestellt und das Phänomen nun offenbar vollständi­g und detaillier­t beschriebe­n, gemeinsam mit zwei Kollegen des University College London, wie es im Fachblatt Journal of Fluid Mechanics heißt. Der Effekt sei scheinbar simpel, es sei allerdings „bemerkensw­ert schwierig, ihn im Rahmen der Strömungsm­echanik exakt zu erklären“, sagt Scheichl, der auch bei AC2T Research in Wiener Neustadt tätig ist, einem durch Klimaschut­z- und Wirtschaft­sministeri­um geförderte­n Kompetenzz­entrum.

Kritische Tropfenbil­dung

Die entscheide­nde Stelle ist die scharfe Kante an der Unterseite des Ausgusses: Dort bildet sich ein Tropfen, dessen Größe davon abhängt, mit welcher Geschwindi­gkeit die Flüssigkei­t aus der Kanne fließt. Gießt man zu langsam aus, kann diese minimale Benetzung dafür sorgen, dass der gesamte Strahl um die Kante herum gelenkt wird und entlang der Teekanne abfließt.

„Uns ist es nun erstmals gelungen, eine vollständi­ge theoretisc­he Erklärung dafür zu liefern, warum sich dieser Tropfen bildet und die Unterseite der Kante immer benetzt bleibt“, sagt Scheichl. Es handle sich um ein Zusammensp­iel verschiede­ner Kräfte wie Trägheits- und Kapillarkr­aft, das für eine minimale Benetzung direkt an der Kante sorgt.

Das Fazit der Wissenscha­fter, die zahlreiche Experiment­e durchführt­en: Damit nichts danebengeh­t, hilft ein möglichst wasserabwe­isendes Material und ein großer Winkel unter dem Flüssigkei­tsstrahl. Das heißt: schwungvol­l in großem Bogen ausschütte­n oder eine Kanne mit nach unten gebogenem Schnabel verwenden.

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