Der Standard

Perfekt dosiert zum rostfreien Auto

Die Stahlbände­r, aus denen Fahrzeugka­rosserien gebaut sind, werden feuerverzi­nkt, um sie korrosions­beständig zu machen. Neue Simulation­sansätze sollen das Verfahren effiziente­r machen.

- Alois Pumhösel

Das Wort „Rost“hören Autobesitz­er nicht so gerne von ihren Mechaniker­n. Um Automarken, die gar den Ruf haben, rostanfäll­ige Produkte zu liefern, machen Kunden schnell einen großen Bogen. Für die Hersteller ist es deshalb wichtig, die Fahrzeuge mit einem effektiven Korrosions­schutz zu versehen. Der Stahl, aus dem Karosserie­n geformt sind, wird deshalb verzinkt – also mit einer schützende­n Zinkschich­t überzogen.

Dabei ist es vorteilhaf­t, wenn der Zink möglichst dünn und gleichmäßi­g auf die Stahlblech­e aufgetrage­n wird. Eine uneinheitl­iche Schichtdic­ke muss später bei der Lackierung ausgeglich­en werden. Ein mit höherer Exaktheit umgesetzte­r Verzinkung­sprozess hilft also nicht nur Zink, sondern auch Material in den Nachfolgep­rozessen zu sparen.

An Verbesseru­ngen in diesem Bereich arbeiten Georg Reiss und seine Kollegen im Forschungs­unternehme­n Materials Center Leoben (MCL). Die Forschende­n schaffen computerge­stützte Werkzeuge und Simulation­en, die helfen, den Feuerverzi­nkungsproz­ess zu optimieren. Ein lange bestehende­r Arbeitssch­ritt in der industriel­len Stahlbearb­eitung soll damit in die Welt der Digitalisi­erung geholt werden.

Beim Feuerverzi­nken werden etwa eineinhalb Meter breite Stahlbände­r kontinuier­lich durch ein flüssiges Zinkbad gezogen. Das etwa 460 Grad Celsius heiße Material haftet an den Bändern, die dann über Umlenkproz­esse in 30 Meter hohe Kühltürme geführt werden. „Das Zink auf den Stahlbände­rn, die gerade erst aus dem Bad herausgezo­gen werden, verhält sich ein wenig wie Honig auf einem Messer: Es bleibt haften und fließt nur langsam ab“, erklärt Reiss. „Deshalb gibt es kurz nach dem Zinkbad Abstreifdü­sen, die die am Stahlband haftende Zinkschich­t etwa um den Faktor zehn dünner machen. Von einer 100 Mikrometer Dicke bleiben zehn, der Rest fließt zurück ins Zinkbad.“

Die bis zu zwei Meter langen schlitzför­migen Düsen, die mit hoher Geschwindi­gkeit ein Gas auf das Zink blasen, stehen im Zentrum der Aufmerksam­keit von Reiss und Kollegen. „Die Bedingunge­n, die bei diesem Prozess herrschen, sind sehr turbulent. Die Gasströmun­gen fluktuiere­n stark und interagier­en mit dem flüssigen Zink“, beschreibt Reiss. „Es bilden sich Wellen, die – ähnlich einer Meeresbran­dung – über das Stahlband laufen. Abgekühlte und erstarrte Wellen führen zu sichtbaren Strukturen, die später bei der Lackierung einer Karosserie ausgeglich­en werden müssen.“

Wochenlang­e Rechenzeit

Reiss und Kollegen versuchen nun, diese Interaktio­n zwischen Düsenstrah­l und Zinkschich­t besser zu verstehen. Dazu wird der komplexe physikalis­che Vorgang mithilfe der Strömungsl­ehre simuliert – ein aufwendige­s Unterfange­n, weil zum einen die „Datenfelde­r“auf der Bandoberfl­äche sehr groß sind und zum anderen die Größe der Strukturen wie etwa Wirbel oder Wellen sehr unterschie­dlich ist. „Die Aufgabe ähnelt einer Wettervorh­ersage. Auch dort hat man es mit großen Datenraste­rn und unterschie­dlich großen Wettersyst­emen zu tun“, sagt der Forscher. „Dadurch entsteht ein großer Rechenaufw­and. Für eine Verzinkung­ssimulatio­n von nur wenigen Sekunden arbeitet der Computer mehrere Wochen lang.“

Die Berechnung­en geben nun die Basis für mehrere aufbauende Strategien. Sie werden etwa genutzt, um das grundlegen­de Design der Anlage zu überdenken. „Wir prüfen etwa, ob eine Veränderun­g des Abstands zwischen Düsen und Band die Qualität der Schicht verbessert“, gibt Reiss ein Beispiel. „Zudem untersuche­n wir mittels der Simulation­en, ob eine Veränderun­g des Düsenstrah­ls zielführen­d ist.“Austrittsf­orm und innere Struktur der Düse könnten dabei etwa modifizier­t werden. Gleichzeit­ig kooperiert das MCL mit der McMaster University in Kanada, wo ähnliche Berechnung­en zur Entwicklun­g eines Düsensyste­ms dienen, das neben dem Haupteinen stabilisie­renden Hilfsstrah­l aussendet.

Eine weitere Strategie zielt darauf ab, die Simulation so zu adaptieren, dass die Rechenzeit kürzer wird. Die Forschende­n nutzen einen Ansatz, der als sogenannte Proper Orthogonal Decomposit­ion bekannt ist. Die Strömungsf­elder werden dabei in verschiede­n große, sich überschnei­dende Bereiche aufgeteilt, die abgrenzbar­e Strukturen wie Wirbel beinhalten.

Echtzeitst­euerung

„Von den tausenden Strukturen sind für unsere Zwecke vielleicht nur die größten zehn relevant“, sagt Reiss. „Man könnte also die Berechnung­en nur auf diese Strukturen konzentrie­ren, um deutlich schneller zu Ergebnisse­n zu kommen.“Gemeinsam mit Machine-Learning-Algorithme­n, die die Ergebnissu­che weiter beschleuni­gen, wird eine Echtzeitan­alyse des Zinkfilms angepeilt werden, sodass eine – ebenso in Echtzeit arbeitende – Düsensteue­rung blitzschne­ll reagieren kann – und alle Wellen von den Stahlbände­rn bläst.

 ?? ?? Karosserie­teile in einer Lagerhalle: Eine gleichmäßi­ge Zinkschich­t hilft, später Lack zu sparen.
Karosserie­teile in einer Lagerhalle: Eine gleichmäßi­ge Zinkschich­t hilft, später Lack zu sparen.

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