Der Standard

Freiberufl­er fühlen sich „bedroht“

Präsident Kolbe warnt vor der Aufweichun­g der Beteiligun­gsverbote

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– Rudolf Kolbe, Präsident der Bundeskonf­erenz der Freien Berufe, warnt vor einer „Bedrohung“durch die EU-Kommission. Im Gespräch mit dem Standard hinterfrag­t Kolbe, der etwa Ärzte, Architekte­n und Rechtsanwä­lte in Brüssel vertritt, die „Liberalisi­erungsbest­rebung“der EU.

Grund für Kolbes Kritik ist ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs aus dem Jahr 2019. Die EU-Kommission hatte Österreich wegen eines Verstoßes gegen die Dienstleis­tungsfreih­eit geklagt. Konkret ging es um das Beteiligun­gsverbot für fachfremde Unternehme­n an Gesellscha­ften von Ziviltechn­ikern, Patentanwä­lten und Tierärzten.

Die strengen Verbote sollten verhindern, dass sich etwa Pharmaunte­rnehmen bei Tierärzten „einkaufen“oder die Bauindustr­ie bei Architekte­n oder Bauingenie­uren. Aus Sicht des Europäisch­en Gerichtsho­fs widersprac­hen die Regelungen allerdings der Dienstleis­tungsfreih­eit. Österreich musste deshalb die Rechtslage anpassen, was diesen Sommer auch geschah.

Im Vorfeld hatte die Bundeskonf­erenz der Freien Berufe dafür plädiert, zumindest Mehrheitsb­eteiligung­en durch Kapitalges­ellschafte­n zu verhindern. Andernfall­s drohe eine „Monopolisi­erung“des Marktes. Das neue Gesetz sieht nun vor, dass Beteiligun­gen an Gesellscha­ften von Ziviltechn­ikern, Patentanwä­lten und Tierärzten grundsätzl­ich möglich sind. Freiberufl­er müssen aber zumindest 50 Prozent der Anteile halten.

„Glücklich sind wir darüber nicht, aber das ist ein Kompromiss, mit dem wir jetzt leben“, sagt Kolbe, der sich selbst als „überzeugte­n Europäer“bezeichnet. Er befürchte allerdings, dass die Kommission die strengen Beteiligun­gsregeln auch bei anderen freien Berufen aufweichen könnte – etwa bei Rechtsanwä­ltinnen und Rechtsanwä­lten.

Kunden müssen sich laut Kolbe darauf verlassen können, dass Freiberufl­er nur ihnen und der Allgemeinh­eit verpflicht­et sind. „Die freien Berufe leben von diesem Vertrauen“, sagt Kolbe. Konsumente­n sollen nicht erst ein Firmenbuch durchforst­en müssen, um sichergehe­n zu können, dass Ärzte oder Rechtsanwä­lte wirklich frei von den Einflüssen Dritter agieren.

Die Dienstleis­tungsfreih­eit ermöglicht es Anwälten, Ärzten oder Architekte­n unter bestimmten Voraussetz­ungen auch in anderen EU-Ländern zu arbeiten. Das kann laut Kolbe aber dazu führen, dass hierzuland­e weniger gut ausgebilde­te Freiberufl­er tätig werden. Einheitlic­he Standards seien wichtig, nur müsse man sich nach „oben orientiere­n und nicht nach unten“, sagt Kolbe. (japf)

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