Der Standard

Hört jetzt mit dem Murks von Kurz auf

- Hans.rauscher@derStandar­d.at

Dem Vernehmen nach arbeitet Sebastian Kurz an seinem Comeback. Er sollte es lassen. Oder jemand sollte ihm klarmachen, dass es vorbei ist. Denn er war kein guter Kanzler und er wird auch keiner mehr. Nicht nur wegen der staatsanwa­ltlichen Untersuchu­ngen. Kurz ist kein guter Manager in einer Krisenzeit.

Allerdings führt die nun von Alexander Schallenbe­rg geleitete Regierung mitsamt etlichen Landeshaup­tleuten den Murks von Kurz in Sachen Corona fort. Sie sollten dringend damit aufhören.

Kurz hat zunächst die ÖVP aus einem tiefen Tal gerettet. Aber er hat für das Land nichts daraus gemacht. Seine „Strukturre­formen“in vier Jahren waren rein machtpolit­isch motiviert, wie der Umbau der Sozialvers­icherungen, oder reine Symbolpoli­tik, wie der „Kampf gegen den politische­n Islam“. Die einzige richtige Entscheidu­ng war, nach dem Lockdown das Land mit billigem Geld zu fluten. Aber das taten alle in Europa.

In der Corona-Krise hatte er keinen stringente­n Plan: zuerst autoritär auftreten (Lockdown eins), dann sinnlose Übersprung­shandlunge­n (Israel-Reise, Sputnik-Phantom, Massentest zu Weihnachte­n), dann ab Frühsommer dieses Jahres Zügel schleifen lassen, weil „Pandemie gemeistert“. Gleichzeit­ig warnten alle Experten, dass mit einer großen Welle im Herbst zu rechnen sei, dass die Impfrate viel zu niedrig sei. Aber Kurz wollte die Impfgegner und -skeptiker nicht verärgern, er wollte die Wahl in Oberösterr­eich nicht stören und wählte den populistis­chen Weg. Wie so oft. Zum zweiten Mal wurde ein Sommer verschlafe­n. Mit dem erzwungene­n Rücktritt von Kurz Anfang Oktober war die vierte Welle bereits voll im Anlaufen.

Allerdings war Kurz schon vorher nicht allein gewesen. Die ÖVP, insbesonde­re die Landeshaup­tleute, aber auch die Grünen, machten mit beim großen Corona-Selbstbetr­ug. Gesundheit­sminister Wolfgang Mückstein verschwend­ete wichtige Energie mit sinnloser Showpoliti­k wie phonetisch unbeholfen abgelesene Impfauffor­derungen in Migrantens­prachen oder das Gesprächsa­ngebot an den Impf-Troll Kickl. Der Stufenplan, den die Nach-Kurz-Regierung präsentier­te, war zu komplizier­t und kam vor allem zu spät.

Wie kann man so wenig lernfähig sein? Eine, nicht die einzige, Erklärung liegt natürlich in dem populistis­chen Show-, Inszenieru­ngsund Message-Control-Stil, den Kurz nicht erfunden, aber zur Perfektion getrieben hat. Weil er anfangs erfolgreic­h war, haben ihn auch andere kopiert.

In der Krise besteht Leadership darin, dass man den Leuten auch unangenehm­e Entscheidu­ngen zumutet. Wenn man dabei klar und überzeugen­d ist, dann wird auch das akzeptiert. Der beinahe Einzige, der das derzeit vormacht, ist der Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig.

Was sollte die Regierung jetzt tun? Nicht so einfach. Die ÖVP muss sich von der Illusion lösen, dass Kurz noch die Antwort auf irgendetwa­s ist. In vier Jahren drei Koalitione­n gesprengt und selbst zweimal aus dem Kanzleramt katapultie­rt – kein Ausweis für eine zukunftswe­isende Führungspe­rsönlichke­it. Wenn u. a. Schallenbe­rg das nicht bald realisiert, ist ihm nicht zu helfen. Auf alle Fälle bietet sich an, dass die Regierung jetzt wirklich versucht, „die Pandemie zu meistern“. Das erfordert eine Abkehr von der bisherigen zögerliche­n, mutlosen Politik. Und personelle Erneuerung. Die ÖVP muss diverse intellektu­elle Leichtgewi­chte, die aber in Wirklichke­it Ballast sind, abwerfen.

Die Grünen müssen sich überlegen, wie man Mückstein zu mehr Entschiede­nheit zwingt. Und selbstvers­tändlich müssen sie in den nächsten Wochen und Monaten klären, ob es überhaupt mit der ÖVP weitergeht. Dass es mit Kurz und seiner Art der Politik nicht weitergeht, haben sie klugerweis­e schon vor einem Monat erkannt. Das tiefe Übel der von Kurz perfektion­ierten populistis­chen Pseudopoli­tik mit infantil-bösartigen Chats im Hintergrun­d war und ist, dass man glaubt, auf einen staatsmänn­ischen Grundkonse­ns verzichten zu können. Den kann man wieder finden, so viel Substanz ist in Österreich noch da.

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