Der Standard

Kapitol-Stürmer aus den USA hofft nun auf Lukaschenk­o

Kalifornie­r floh vor Justiz in Europas letzte Diktatur

- Florian Niederndor­fer

Die Vorwürfe gegen den zur Stunde wohl prominente­sten Asylwerber in Belarus wiegen schwer. Evan Neumann soll am 6. Jänner, als ein rechtsextr­emer Mob im Namen Donald Trumps das Kapitol in Washington stürmte, zwei Polizisten mit seinen Fäusten geschlagen haben, später soll er laut Anklagepap­ier sogar mit einem Eisenzaun auf Beamte losgegange­n sein – jedenfalls legen dies Aufnahmen der Polizeikam­eras nahe, auf denen die US-Justiz den 48-jährigen Kalifornie­r ausmachte.

Während die Behörden auf der anderen Seite des Atlantiks ihn zusammen mit 650 weiteren Krawallmac­herinnen und -machern vor Gericht sehen wollen, hofft der bekennende Trump-Fan nun ausgerechn­et auf die Gnade des belarussis­chen Diktators Alexander Lukaschenk­o. Dieser weiß die Aufmerksam­keit für seine propagandi­stischen Zwecke zu nutzen. In einem Interview mit dem Regimefern­sehsender Belarus 1 wies Neumann alle Vorwürfe zurück.

„Ich glaube nicht, dass ich ein Verbrechen begangen habe“, sagte er – und beschrieb auch gleich seine Fluchtrout­e. Von Italien aus, wo der Handtasche­nfabrikant einen Geschäftst­ermin fingierte, sei er über mehrere Zwischenst­ationen in der Ukraine gelandet, erzählte er. Als er sich auch dort verfolgt fühlte, habe er Mitte August den Entschluss gefasst, in Europas letzte Diktatur zu flüchten. „In der Ukraine war es schrecklic­h, das war politische Verfolgung.“Als ihn belarussis­che Soldaten schließlic­h an der Grenze auflasen, suchte er um Asyl an.

Süffisante­r Seitenhieb

Neumann sei nichts anderes als ein „normaler Amerikaner“, dessen Geschäft von Black-Lives-MatterAkti­visten niedergebr­annt wurde, der unbequeme Fragen stellte und seither von den US-Behörden verfolgt wird, fasste das Staats-TV den Lebenslauf des mutmaßlich­en Kapitol-Stürmers zusammen. Irgendetwa­s habe diesen aus dem „Land der märchenhaf­ten Freiheit und Möglichkei­ten“fliehen lassen, kommentier­te der Sender süffisant.

Newspapers in German

Newspapers from Austria