Hoffnungsloser Kampf gegen Müll und Schlendrian
Roms neuer Bürgermeister Gualtieri muss gleich in den ersten Wochen bittere Lektionen lernen
Neue Besen kehren gut: Von dieser Hoffnung waren die Römerinnen und Römer beseelt, als sie bei den Kommunalwahlen vor einem Monat die Bürgermeisterin Virginia Raggi von der Fünf-Sterne-Bewegung aus dem Rathaus jagten und den Sozialdemokraten Roberto Gualtieri zu ihrem Nachfolger bestimmten.
In wohl keiner anderen Hauptstadt hat diese Redensart einen derart handfesten Hintergrund: Straßen, Plätze, Parks und Grünflächen sind seit Jahren übersät mit Müll und Unrat aller Art. Nichts hätte die Stadt dringender nötig als einen Bürgermeister, der mit eisernem Besen kehrt. Die Geduld der Bevölkerung ist längst am Ende. Und so versprach der neue „Sindaco“: „Rom wird bis zu Weihnachten sauber sein.“
Und er schritt sogleich beherzt zur Tat: Er schickte den Chef der städtischen Müllabfuhr in die Wüste, kratzte 40 Millionen Euro zusammen und startete am 1. November eine „raccolta straordinaria“, eine außerordentliche Müllsammlung. Und siehe da: Die überquellenden Container begannen sich zu leeren, innerhalb von wenigen Tagen entfernte die Müllabfuhr der Ewigen Stadt 2500 Tonnen Abfall.
Doch schon nach wenigen Tagen war Roms einzige derzeit halbwegs funktionierende Deponie und Mülltrennanlage in Rocca Cencia zum Bersten voll. Und zu allem Überfluss streikten am Montag auch noch die Angestellten der Müllabfuhr – und so sah die Stadt am Dienstag schon wieder aus so aus wie vor der Säuberungsaktion.
Gualtieri scheiterte letztlich am gleichen Problem wie Raggi: Seit im Jahr 2013 die illegale Riesendeponie Malagrotta am Stadtrand geschlossen wurde, weiß die Stadt nicht mehr, wohin sie ihren Abfall karren soll. Denn die Millionenmetropole, deren Bewohnerinnen und Bewohner täglich rund 4700 Tonnen Müll produzieren, verfügt über keine einzige Verbrennungsanlage.
Ein großer Teil des Hausmülls wird deshalb seit Jahren einfach in den Rest des Landes exportiert: Täglich verlassen 180 Lkw die Stadt. Das ist nicht nur ein ökologischer Irrsinn, sondern auch teuer: Der Müllexport kostet die Stadt jedes Jahr 150 Millionen Euro. Die naheliegende Lösung wäre der Bau einer oder mehrerer eigener Verbrennungsanlagen. Doch das ist ein Tabu: Wegen der Abgase gilt diese Technologie als todbringendes Teufelswerk, und auch der Hinweis darauf, dass der Privatverkehr in Rom an einem einzigen Tag mehr Abgase in die Luft bläst als eine moderne Müllverbrennungsanlage
in einem ganzen Jahr, hilft da nicht weiter.
Was für die Müllkrise gilt, trifft auch auf die anderen Problembaustellen der Stadt zu. In einem desolaten Zustand befindet sich insbesondere der öffentliche Verkehr: Die Welt lacht über die sich selbst entzündenden Busse, die wegen tropfender Treibstoffleitungen in Flammen aufgehen. Die Gründe dafür sind das hohe Alter der Busse, mangelnder Unterhalt, Schlendrian und Freunderlwirtschaft bei den städtischen Verkehrsbetrieben.
Dante im Gepäck
Mit dem Scheitern der „raccolta straordinaria“hat Gualtieri jedenfalls einen ersten Vorgeschmack auf das bekommen, was ihn in den nächsten fünf Jahren noch erwarten wird. Eine Ahnung davon hatte der 55-jährige Sozialdemokrat und Ex-Finanzminister unter Giuseppe Conte schon am Wahlabend: „Mir zittern die Venen und die Hände“, erklärte Gualtieri, einen Vers aus Dantes zitierend.