Der Standard

Bett der Heimsuchun­gen

Edgar Wrights Psychothri­ller „Last Night in Soho“bedient sich beim erlesenen Horrorkino

- Bert Rebhandl Ab Freitag

Ein Mädchen namens Eloise wurde in den sechziger Jahren gleich mehrfach besungen. Dear Eloise von den Hollies war ein halber Gassenhaue­r, den es aber leicht psychedeli­sch schaudert. 1969 schmettert­e dann Barry Ryan dann eine Hymne auf eine Eloise in den Äther, die aber eigentlich von Verlusterf­ahrungen und kalten Nächten erzählte. Für Ellie, die Hauptfigur in Edgar Wrights Psychothri­ller Last Night in Soho, ist die Nummer von Barry Ryan so etwas wie das eigene Tauflied.

Ellie fühlt sich nicht nur von diesem Hit angesproch­en, sondern von allem, was nach Sixties klingt. Und da gibt es für den Soundtrack natürlich jede Menge Auswahl: Downtown von Petula Clark, You’re My World von Cilla Black, Heat Wave von The Who. Eloise Cooper ist aber ein Kind von heute. Sie lebt zu Beginn in Cornwall bei der Oma, an der Wand im Jugendzimm­er hängt Audrey Hepburn. Die Musik kommt von Schallplat­ten, die auf einem altmodisch­en Plattenspi­eler laufen. Nix Turntable.

Eloise ist so kindlich, dass man sie nur Ellie rufen kann. Sie träumt dann aber doch nicht nur der Musik wegen von London. Sie will Modedesign­erin werden, dafür muss sie das bergende Idyll verlassen und ihre ausgedacht­e Pop-Metropole mit dem richtigen London vertausche­n.

Das ist aber auch wieder ein ausgedacht­er Ort, denn Edgar Wright lässt das heute nur noch in Spuren vorhandene, legendär schäbige Soho wiederaufe­rstehen, in das man seinerzeit geraten konnte, wenn man sich vom Leicester Square ein wenig in die kleinen Gassen traute.

Die gefährlich­e Welt

Für ein behütetes Mädchen vom Land ist das nicht die richtige Umgebung. Aber ohne Herausford­erungen keine gute Geschichte, und so stolpert Ellie bald hinter einer Figur her, die ihr den Weg in eine gefährlich­e Welt weist. Sie heißt Sandie, und stammt vermutlich aus ihren Träumen. Oder es handelt sich um einen Geist, der durch ihre neue Wohnung spukt.

Ellie nimmt nämlich Quartier bei einer gewissen Miss Collins (Diana Rigg hier in ihrer letzten Rolle). In dem schweren, alten Bett erlebt sie allerlei Heimsuchun­gen, sie wird aber auch mit einem erregenden Spiegelbil­d ihrer selbst konfrontie­rt. Denn Sandie (Anya Taylor-Joy, bekannt aus der Netflix-Serie The Queen’s Gambit) hat das Zeug zum Vamp.

Sie will Sängerin werden, tritt sich dabei den gefährlich­en Mentor Jack (Matt Smith) ein, und ist bald brutaler Ausbeutung ausgesetzt. Ellie (Thomasin McKenzie) sieht dem anfangs von der Seite zu, sie ist sozusagen Audrey Hepburn neben Jayne Mansfield, steckt aber bald mitten im Strudel.

Regisseur Edgar Wright (Shaun of the Dead) geht mit Last Night in Soho in jeder Hinsicht in die Vollen: Er plündert erlesenste­s Horrorkino, er pappt ordentlich Soundtrack drauf, und er dreht am Ende alles noch einmal durch die Mangel. Last Night in Soho enthält denn auch viele schöne Hommagen, dazu auch noch späte Rollen für Rita Tushingham und Terence Stamp. Der Film hätte allerdings mit mehr erzähleris­cher Disziplin ein deutlich besserer Film sein können.

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Foto: AP Ellie (Thomasin McKenzie) und Londoner Stunden der Angst.

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