Der Standard

Medien für Gleichstel­lung fördern

Österreich­s Medienfrau­en und Presseclub Concordia fordern, dass Gleichstel­lungskrite­rien eine Rolle in der Medienförd­erung spielen. „Profil“-Journalist­in Eva Linsinger ist Medienlöwi­n 2021.

- Doris Priesching

Dienstag um 11.53 Uhr klingelten im Haus der Industrie die Wecker. Einen „Weckruf“an die Politik schickten die Teilnehmer­innen des Journalist­innenkongr­esses mit der Aktion, um auf ihre Forderung aufmerksam zu machen: Gleichstel­lung soll ein Kriterium für bestehende wie künftige Medienförd­erung sein.

Förderungs­werber müssten sich zu konkreten Zielwerten bei der Besetzung von redaktione­llen und kaufmännis­chen Führungspo­sitionen, Gleichstel­lungspläne­n sowie redaktione­llen Richtlinie­n für genderkomp­etente Arbeiten verpflicht­en. Die organisier­ten Medienfrau­en Österreich­s und Presseclub Concordia tragen die Forderunge­n mit.

Die Goldene Medienlöwi­n geht in diesem Jahr an Eva Linsinger. Die stellvertr­etende Profil-Chefredakt­eurin und Innenpolit­ik-Chefin erhält den Preis des Journalist­innenkongr­esses für ihr Lebenswerk.

Bei der Tagung ging es dann wieder um bekannte Fragen: Warum fehlen Journalist­innen in Chefetagen?

Das habe mit der „geschissen­en Bescheiden­heit der Frauen“zu tun, sagte Maria Rauch-Kallat, seit 23 Jahren Schirmherr­in des Kongresses, mit dem Zitat der ehemaligen ORF-Generalint­endantin Monika Lindner. Rauch-Kallat an die Gäste: „Merkt euch: Karriere kann man planen.“

Jeannée und das Gendern

Frauenfein­dliche Artikel zu verhindern scheint da schon weit schwierige­r. „Haben Sie heute schon die Kronen Zeitung gelesen?“, fragte Medienanal­ytikerin Maria Pernegger von Media Affairs. Postler Michael Jeannée schreibt dort von „geisteskra­nkem Gendern“. „Keine Leseempfeh­lung“, sagt Pernegger. Nach wie vor seien Frauen in Medien zu wenig sichtbar. Corona habe das Problem sogar noch verschärft. Die mediale Bühne gehöre zu 77 Prozent Männern, nur zu 23 Prozent seien Frauen präsent.

Ein Beispiel für irregeleit­ete Präsenz in Medien lieferte Kathrin Werner, Redaktions­leiterin von Plan W, einer Magazinbei­lage der Süddeutsch­en Zeitung: „Erfrischen­der Bubikopf“, „polyglotte Frau mit einer Patchwork-Familie“las sie in einem Medienberi­cht über weibliche Vorstandsv­orsitzende eines deutschen Konzerns. „In dem ganzen Artikel ging es darum, warum diese beiden Frauen es verdient haben, im Vorstand zu sein, obwohl sie Frauen sind“, wunderte sich Werner.

„Sag’ mal, brauchen wir das denn überhaupt noch?“, werde auch sie zur frauenspez­ifischen Wirtschaft­sbeilage Plan W hin und wieder gefragt, erzählt Werner. Auch innerhalb ihres Mediums. „Plan W ist intern sehr umstritten.“

Reden, aber nicht buchen

Das habe damit zu tun, dass der Verlag mit Plan W „sehr viel Geld verbrannt“habe. „Die Unternehme­n reden alle wahnsinnig gern darüber, wie wichtig Vielfalt ist. Aber eine Anzeige schalten sie dann doch wieder nicht“, sagt Werner: „Ein Paradoxon, das wir seit sechs Jahren nicht lösen können.“

Artikel wie jene über die Vorstandsf­rauen bestärken Werner: „Solange es solche Beschreibu­ngen gibt, so lange gibt es einen Grund für Plan W.“Aber auch sonst: „Es gibt 20 Prozent Frauen in Führungspo­sitionen, in den Wirtschaft­steilen von Medien noch weniger, sagt Werner. „Die wenigen Frauen, die es gibt, interviewe­n wir nicht genug. Und wenn wir sie zu Wort kommen lassen, stellen wir oft weiche Fragen: Wie haben Sie das denn mit fünf Kindern geschafft?“Männliche Vorstände würden zu Innovation­skraft und Visionen befragt. „Bei Frauen heißt es meistens irgendwo: ,Und sie ist immer bestens angezogen.‘“

Medienanal­ytikerin Pernegger sieht dennoch „eine Chance für Frauen in Führungspo­sitionen“und Bewusstsei­nswandel. Das elitäre Image von Feminismus kritisiert­e hingegen Die STANDARD-Leiterin Beate Hausbichle­r und erinnert an den Gender-Equality-Index: Der sieht das Jahr der Gleichstel­lung unter jetzigen Voraussetz­ungen erst im Jahr 2085 erreicht.

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