Schwarze Scharmützel um türkise Umfrageaffäre
Auf die Kritik von Ex-Vizekanzler Mitterlehner folgte prompt Gegenwehr durch einen alten Bekannten
Wien – Der durch die Umfrageaffäre angeschlagene Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will in den nächsten Monaten durch die Bundesländer touren, um sich innerparteilich wie öffentlich wieder ins Gespräch zu bringen. Derzeit reißen in der ÖVP aber vor allem alte Wunden auf. Eigentlich wollte sich Reinhold Mitterlehner nicht zur türkisen Krise äußern. Doch der Ex-Parteichef, den Kurz aus dem Amt drängte, möchte sich von seinem Nachfolger und dessen Anwälten nicht „als Entlastungszeuge missbrauchen“lassen, sagte er der Tiroler Tageszeitung.
Ein Grund dafür ist Norbert Wess. Der Anwalt vertritt Sophie Karmasin. Die Ex-Ministerin und Meinungsforscherin ist eine Beschuldigte in der türkisen Causa. Wess meinte, dass es bei einem in den Chats angekündigten Gespräch zwischen Karmasin und Kurz aus dem Jahr 2016 nicht um einen Umfragedeal gegangen sei. Der spätere Kanzler wollte Karmasin vielmehr von einem Rücktritt abhalten. ÖVP-Klubchef August Wöginger sah Kurz dadurch „massiv entlastet“. Das löste bei Mitterlehner Wut aus. Die Chats stünden dieser Auslegung „diametral entgegen“.
Darin berichtet der Ex-Generalsekretär des Finanzressorts, Thomas Schmid, an Kurz, dass es „gute News“an der „Umfrage Front“(sic!) gebe. Ob er Karmasin überreden konnte, da sei er sich nicht sicher. Kurz bot an, mit der damaligen Ministerin zu sprechen. Schmid entgegnete: „Ja bitte! Sie ist so angefressen wegen Mitterlehner, weil er ihr in den Rücken gefallen ist.“
Nicht gestorbene Reform
Genau deshalb rückte nun der langjährige ÖVP-Abgeordnete und frühere Klubobmann Reinhold Lopatka zum Gegenangriff aus. So wäre Mitterlehner „gut beraten, besser zu schweigen, anstatt andere anzugreifen und so um Aufmerksamkeit zu heischen“, sagte Lopatka. „Wenn Mitterlehner von ‚unglaublichen Vorgängen‘ spricht, dann kann er eigentlich nur das ‚Im-StichLassen‘ der damaligen Familienministerin Sophie Karmasin durch seine Person meinen.“
Im März 2016 drohten die langen Verhandlungen zur Kindergeldreform endgültig zu scheitern. Sophie Karmasin, damals Familienministerin, erklärte sie zwischenzeitlich gar für „gestorben“. Doch ExBundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und sein Vize Mitterlehner wollten umgehend, dass trotz einer „gewissen Emotionalität“weiterverhandelt wird. Damals habe Mitterlehner seine Ministerin bei ihrem „Herzensprojekt“im Stich gelassen, erklärte Lopatka, weshalb sie über einen Rücktritt nachgedacht habe.
Karmasin meldete sich damals wenige Tage nach den Chats zwischen Schmid und Kurz zu Wort. „Ich wurde nicht zurückgepfiffen“, sagte Karmasin. „Ich interpretiere es wohlwollend. Es gibt jetzt die stärkste Unterstützung von der Regierungsspitze. Wir wollen das, also gehen wir es noch einmal an. Ich bin bereit.“Ende April 2016 stand die Kindergeldreform – doch noch. (jan)