Überbleibsel einer Staatsaffäre
Drei Jahre und acht Monate nach der BVT-Razzia stehen der Ex-Leiter der Spionage-Abteilung, sein Schwiegervater und ein Verfassungsschützer vor Gericht. Zu Unrecht, wie die Anwälte der drei Männer ausführen.
Die Österreich-Vorliebe der nordkoreanischen Herrscherfamilie Kim, ein EricClapton-Konzert, falsch abgerechnete Kaffeehausbesuche und Zuständigkeitschaos im Bundesamt für Verfassungsschutz: Am Donnerstag startete am Landesgericht für Strafsachen in Wien der Prozess zu den Überbleibseln der sogenannten BVT-Affäre. Von den ursprünglichen Vorwürfen, die im Februar 2018 zu der – später für rechtswidrig erklärten – Razzia im BVT führten, dem berühmten Konvolut, ist nicht mehr viel übriggeblieben.
Vor Gericht verantworten müssen sich nun ein ehemaliger Referatsleiter, dessen Schwiegervater und ein ehemaliger Verfassungsschützer wegen Zufallsfunden der Hausdurchsuchung: Den einstigen Verfassungsschützern wird vorgeworfen, die Rechte nordkoreanischer Touristen, zwei irischer Staatsbürger und eines russischen Rechts-außen-Politikers durch Observationen verletzt zu haben. Der Rechtsschutzbeauftragte sei außerdem nicht informiert worden. Darüber hinaus soll der Referatsleiter mehrere Kaffeehausrechnungen falsch abgerechnet haben sowie für seinen Schwiegervater in zwei Fällen unrechtmäßig Abfragen getätigt haben. Beim hauptangeklagten ehemaligen Referatsleiter geht es dabei um Amtsmissbrauch und Betrug. Dem Schwiegervater wird Anstiftung zum Amtsmissbrauch und zum Amtsgeheimnisverrat und dem Verfassungsschützer Amtsmissbrauch vorgeworfen. Alle drei Angeklagten weisen die Vorwürfe zurück.
Zunächst wurde im großen Schwurgerichtssaal aber darüber beraten, ob die Öffentlichkeit – also die Medienvertreter – vom Prozess auszuschließen ist. Das forderte die Staatsanwaltschaft, weil es während der Verhandlung um sensible Informationen gehe, die öffentliche Sicherheit sei potenziell gefährdet. Die Verteidiger plädierten hingegen nur für einen teilweisen Ausschluss. Immerhin habe die Staatsanwaltschaft durch ihre Arbeit – gemeint war wohl die Razzia – schon genug getan, um BVTInterna an die Öffentlichkeit zu befördern, so der Tenor. Und, so ein Verteidiger, die Öffentlichkeit habe ein Recht, vom Organisationschaos im BVT zu erfahren, für das die Angeklagten nicht verantwortlich seien.
Der Senat stimmte nach kurzer Beratung einem teilweisen Ausschluss zu. Die anwesenden Journalistinnen und Journalisten mussten also während des Plädoyers der Anklage den Saal verlassen, konnten dem restlichen Prozess aber ungestört folgen. Im gesamten Gericht herrscht am Donnerstag und am Freitag, wo der Prozess fortgesetzt wird, ein Fotound Filmverbot.
Vorwürfe gegen WKStA
Der Verteidiger des Hauptangeklagten, Otto Dietrich, übte scharfe Kritik an den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die Rechte seines Mandanten seien dabei verletzt worden. Dass die Razzia als rechtswidrig erklärt wurde, habe keinerlei Konsequenzen gehabt. Die WKStA habe trotzdem alle sichergestellten Daten auswerten können, kritisiert er. Weil sein Mandant entlassen wurde, habe er wichtige Unterlagen nicht einsehen können. „Wie soll man da verteidigen?“, fragt Dietrich in Richtung des Senats und der Schöffen.
Punkt für Punkt nahm Dietrich dann zur Anklage Stellung. Dort heißt es unter anderem, dass eine Gruppe von nordkoreanischen Touristen, die in Wien ein Konzert von Eric Clapton besuchte und im Zuge dessen observiert wurde, in ihren Rechten verletzt wurde. „Es gibt keine Reisegruppen oder Touristengruppen aus Nordkorea“, sagt Dietrich. Die Gruppe sei nicht wegen der Mitglieder überwacht worden, sondern weil es zuvor den Hinweis gegeben habe, dass der Bruder des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un zum Konzert kommen könnte. Die Vergiftung von Kims Halbbruder 2017 in Malaysien zeige, wie groß die Gefahr sein könne, so der Anwalt. Auch bei der Observation einer anderen nordkoreanischen Gruppe seien die Voraussetzungen vorgelegen. Und für die Meldung an den Rechtsschutzbeauftragten sei sein Mandant überhaupt nicht zuständig gewesen, wie aus den Einvernahmen seiner ehemaligen Kollegen hervorgehe.
Auch die Anwälte der anderen Angeklagten wiesen die Vorwürfe entschieden zurück.
Der angeklagte ehemalige Referatsleiter entschuldigte sich zu Beginn seines langen Statements – in dem er nicht nur die Aufgaben und die Struktur des BVT und seiner Abteilung, sondern auch das nordkoreanische Regime, dessen Österreich-Vorliebe und potenzielle Gefahren dadurch ausführlich beschrieb –, falls er in „regionalen niederösterreichischen Dialekt verfalle“oder emotional werde. „Aber die Vorwürfe treffen mich, weil meine gesamte Existenz zerstört wurde.“Der Prozess wird am Freitag mit den Einvernahmen der anderen Beschuldigten fortgesetzt.