Der Standard

Frederik Willem de Klerk 1936–2021

Der südafrikan­ische Friedensno­belpreistr­äger spielte eine wichtige Rolle bei Abschaffun­g der Apartheid

- Johannes Dieterich aus Johannesbu­rg

Einer der bekanntest­en Repräsenta­nten eines Landes stirbt – und kaum jemand schaut auf. Am Donnerstag­mittag wurde der Tod des letzten weißen Präsidente­n Südafrikas bekanntgeg­eben: Doch Frederik Willem de Klerk weint am Kap der Guten Hoffnung kaum einer eine Träne nach.

Er hatte die Apartheid abgeschaff­t und Nelson Mandela freigelass­en – und dafür den Friedensno­belpreis erhalten. Doch ähnlich wie Michael Gorbatscho­w vermochte de Klerk die Früchte seines dringend nötig gewordenen Reformwerk­s niemals zu ernten: Den einen blieb er als Wolf im Schafspelz verhasst, bei den anderen ist er als Verräter an der weißen Vorherrsch­aft verschrien.

Präsident für den Übergang

Ein Publikumsl­iebling war der Jurist und Politiker der rassistisc­hen Nationalen Partei (NP) nie. Im Februar 1989 löste er den berüchtigt­en Pieter Willem Botha als NP-Chef ab: Das „Krokodil“hatte sich gegenüber den für den inneren Frieden und die Wirtschaft des Landes nötigen Veränderun­gen als resistent erwiesen. Dass ausgerechn­et der unscheinba­re Erziehungs­minister zu seinem Nachfolger ernannt wurde, hatte er dem „Broederbon­d“, der Geheimloge der weißen Afrikaner, zu verdanken: Dieser hielt das kettenrauc­hende Mitglied für flexibel und halsstarri­g genug, um den schwierige­n Job eines Übergangsp­räsidenten zu übernehmen. De Klerk sollte so viele weiße Privilegie­n wie nötig und so wenige wie möglich hergeben.

Als er im Frühjahr 1990 das Ende der Apartheid und die Freilassun­g Nelson Mandelas bekanntgab, war die kurze Stunde seines Weltruhms gekommen – während sich zu Hause Teile der weißen Wählerscha­ft entsetzt zeigten.

Sie in einem Referendum von der Notwendigk­eit der Reformen zu überzeugen war de Klerks historisch­es Verdienst: Hätte er die Abstimmung verloren, statt sie mit einer Zweidritte­lmehrheit zu gewinnen, wäre Südafrika im Bürgerkrie­g versunken. Allein damit kann sein Friedensno­belpreis gerechtfer­tigt werden, den er ein Jahr später gemeinsam mit Nelson Mandela verliehen bekam.

Die Preisverle­ihung löste am Kap der Guten Hoffnung eine heftige Debatte aus. De Klerk und Mandela auf eine Stufe zu stellen war vor allem für schwarze Südafrikan­er eine Zumutung. Außerdem kämpfte de Klerk bei den Verhandlun­gen mit Mandelas Afrikanisc­hem Nationalko­ngress um jedes weiße Privileg. Und schließlic­h galt vielen de Klerks Verwicklun­g in die Welle der Gewalt, die damals die Dominanz des ANC brechen sollte, als unbestreit­bar.

Mandela selbst verlor gegenüber seinem Kopreisträ­ger – den er ansonsten zuvorkomme­nd behandelte – nur einmal die Beherrschu­ng, als er ihm bei der Eröffnungs­sitzung der verfassung­sgebenden Versammlun­g Codesa im Dezember 1991 vorwarf, einem „illegitime­n diskrediti­erten Minderheit­sregime“vorzustehe­n und „zur Aufrechter­haltung moralische­r Standards unfähig“zu sein. Zuvor hatte de Klerk dem ANC vorgeworfe­n, frühere politische Vereinbaru­ngen gebrochen zu haben. Mandelas „bösartige Attacke“habe einen Spalt zwischen sie getrieben, der „niemals ganz heilte“, sagte de Klerk später.

Anhaltende Kritik

Trotzdem standen beide noch zwei Jahre lang an der Spitze der „Regierung der nationalen Einheit“: Mandela als Präsident, de Klerk als sein Vize. Nach seinem Rücktritt 1996 und seinem Rückzug aus der Politik ein Jahr später sorgte de Klerk immer wieder mit Aussagen für Aufsehen, die nach Auffassung seiner Kritiker die Apartheid verharmlos­ten. Sein Ansehen unter der weißen Wählerscha­ft litt allerdings am meisten, als er seine Frau Marike verließ, um Elita, die Witwe des griechisch­en Großreeder­s Tony Georgiades, zu heiraten. Drei Jahre später wurde Marike bei einem Einbruch in ihr Haus umgebracht.

Ihr krebskrank­er 85-jähriger ExMann starb in der Nacht zum Donnerstag im Schlaf in seiner Kapstädter Villa, wie seine Stiftung bekanntgab.

 ?? ?? Frederik Willem de Klerk beschloss 1990 die Freilassun­g Nelson Mandelas nach 27 Jahren Haft. De Klerk wurde 85 Jahre alt.
Frederik Willem de Klerk beschloss 1990 die Freilassun­g Nelson Mandelas nach 27 Jahren Haft. De Klerk wurde 85 Jahre alt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria