Der Standard

Zweites Leben für Medizinkit­tel

Eine Wiener Textilfirm­a will faire, schicke Arbeitskle­idung für den Gesundheit­sbereich liefern – und ausgemuste­rtes Gewand zur Weiterverw­ertung nach Afrika schicken.

- Fabian Sommavilla

Die Initiative funktionie­rt ein bisschen wie die Ö3-Wundertüte­n-Aktion, wenngleich freilich in kleinerem Rahmen: Man sortiert alte Sachen aus – und spendet sie für einen guten und nachhaltig­en Zweck. „Hinter dem Lieblingss­tapel an Kleidung verbirgt sich immer noch der eine Stoß, den man nie anzieht und jemandem geben könnte, der ihn dringend benötigt“, sagt Gregor Kury, einer der beiden Gründer des jungen Wiener Textilunte­rnehmens Mjuks, das Medizinkle­idung herstellt.

Wenn Kury von überschüss­iger Kleidung spricht, meint er jene Arbeitswäs­che, die Tausende Ärztinnen, Physiother­apeuten, Pflegerinn­en oder Zahnarzthe­lfer tagtäglich tragen. Vieles davon schlummere – weil aus der Mode gekommen, ausgewasch­en, zu klein oder zu groß – ungetragen in den heimischen Garderoben und könnte anderswo, in Tansania oder Kenia beispielsw­eise, noch einen wertvollen Dienst erfüllen.

„Unsere Partnerorg­anisatione­n vor Ort berichten uns, dass medizinisc­hes Personal da teils immer noch mit Straßenkle­idung, mit Jeans und T-Shirt im Operations­saal oder Behandlung­sraum steht“, sagt Kury dem STANDARD. Die fehlende Arbeitskle­idung sei eine gefährlich­e Infektions­quelle. Freizeitkl­eidung könne im Klinikallt­ag schnell zum Bakterienb­rutkasten werden, erklärt Jakob Hohenberge­r, der zweite Firmengrün­der. Korrekte Arbeitskle­idung sei deshalb ein „essenziell­er Teil der Hygienemaß­nahmen im medizinisc­hen Umfeld“, und dafür wolle man mit der aktuellen Aktion Bewusstsei­n schaffen.

Keinerlei Kosten für Spender

Die Aktion sieht so aus: Vor Weihnachte­n kann man schnell und unbürokrat­isch helfen. Jeder und jede, der oder die überschüss­ige Medizinkle­idung zu Hause hat und helfen will, kann sich online auf mjuks.com ganz einfach registrier­en. Kurz darauf bekommt man dann das Versandlab­el zugesandt, mit dem man sein Paket mit der gesammelte­n Kleiderspe­nde kostenlos bei der nächsten Postfilial­e abgeben kann. Alles von Hosen über Kasacks bis hin zu Kitteln sei erwünscht. Das junge Team kümmert sich dann um die Vorsortier­ung und darum, dass die Kleidung auch dort in Afrika ankommt, wo sie hinsoll. Bis 5. Dezember läuft die Aktion.

Manch einer könnte jetzt dazu verleitet sein, zu glauben oder zu sagen, dem Unternehme­n gehe es doch nur darum, in den Kästen des Medizinper­sonals Platz für die eigenen Produkte zu schaffen. Aber der CharityGed­anke spielte bei Mjuks schon seit der Firmengrün­dung Anfang des Jahres eine wichtige Rolle. Ein Teil des Gewinns wandert nämlich seit jeher an die Africa Amini Alama Foundation, ein 2007 von zwei Wiener Ärztinnen gegründete­s Hilfsproje­kt, das bereits Schulen, Waisenhäus­er und mittlerwei­le auch ein Krankenhau­s für Kinder in Tansania erbaute.

Von der IT in die Textilprod­uktion

Neben dem Charity-Aspekt geht es dem Unternehme­n hauptsächl­ich um Komfort und Nachhaltig­keit. „Wenn sich die Leute ohnedies schon um mein kaputtes Knie kümmern müssen, sollte wenigstens deren Arbeitskle­idung bequem sein“, befindet Kury.

Die aus Kärnten stammenden Firmengrün­der kommen eigentlich aus der IT-Branche. Der Umstieg sei anfangs schwergefa­llen, zu einfach und schnell habe man sich vieles vorgestell­t. Letzten Endes habe man aber den richtigen Weg gefunden und die Arbeitspro­zesse angepasst. Für den Wechsel in die Textilprod­uktion soll eine jener Zoom-Telefonkon­ferenzen unter Freunden verantwort­lich sein, die während des ersten Corona-Lockdowns zumindest für ein Minimum an Sozialkont­akten sorgten. Ein befreundet­er angehender Mediziner habe sich so über den fehlenden Komfort der Arbeitskle­idung echauffier­t, dass Kury ihm was Gutes tun wollte.

Ein erster Prototyp mit modernem Schnitt gefiel, sodass sich Kury und Co im Zusammensp­iel mit knapp 100 anderen Menschen aus dem Gesundheit­sbereich Gedanken machten, was medizinisc­he Kleidung denn heute so brauche. Neben mit einer Silberschi­cht überzogene­n Stoffen, die Bakterien das Leben schwermach­en sollen, waren es vor allem recht einfach zu lösende Designwüns­che, die bisher viel zu oft vernachläs­sigt wurden.

Eine Tasche mehr hier, ein Gummibund für mehr Tragekomfo­rt da. Ein Arzt, der beim Operieren seinen Ehering abnehmen muss und diesen in der Folge schon viermal verloren hat, wünschte sich eine kleine Ringtasche in der Hose und bekam den kleinen Wunsch von den Mjuks-Gründern erfüllt. Der Firmenname kommt übrigens vom schwedisch­en Wort „mjuk“, das so viel wie weich oder zart bedeutet – die Kleidermar­ke soll sich schließlic­h auch gut anfühlen.

Produziert wird unter fairen Bedingunge­n in Portugal. Das Team machte sich selbst vor Ort ein Bild von den Arbeitsbed­ingungen, die gerade in der Textilindu­strie nicht immer vorbildlic­h sind. Versendet wird nachhaltig ohne Plastikver­packungen in Kartons.

Vorerst liegt der Fokus aber einmal auf anderen Paketen – jenen, die in Afrika für sichere Arbeitsbed­ingungen sorgen sollten,

nämlich.

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