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Alles für den A .... !

Muskelbepa­ckte Oberarme oder straffes Sixpack? Auch nett. Doch auf Instagram dreht sich derzeit fast alles um den extrem prallen Gluteus maximus. Aber kann den wirklich jede auftrainie­ren?

- Franziska Zoidl

Einmal großer Hintern, aber dünne Beine, bitte! Diesen Wunsch bekommen Fitnesstra­inerinnen und Fitnesstra­iner von ihren Kundinnen seit einiger Zeit zu hören. Einst war es die Hoffnung auf muskulöse Arme wie die von Michelle Obama oder das Sixpack von Chris Hemsworth – jetzt ist es der beachtlich pralle Hintern von Fitfluence­rinnen wie Pamela Reif (acht Millionen Follower auf Instagram) oder Jen Selter (12,5 Millionen Follower), der auf verblüffen­d dünnen Beinchen thront, der Leute zum Schwitzen motiviert.

Das gute alte Bauch-Beine-Po-Training hat ausgedient. „Grow your booty“, verspreche­n Pamela Reif und Konsortinn­en in ihren Youtube-Videos. Dafür machen sie Kniebeugen mit Widerstand­sbändern und verrenken ihre Beine im Vierfüßler­stand oder in Bauchlage. Das Ziel: Den Gluteus maximus, einen der größten Muskeln im menschlich­en Körper, sowie den Gluteus minimus und medius isoliert zu trainieren. Das Verspreche­n: So sollen nur am Hintern, aber nicht an den Schenkeln Muckis aufgebaut werden.

Das könnte nicht nur zum Problem beim Hosenkauf werden, auch sonst sehen viele darin ein weiteres unrealisti­sches Schönheits­ideal, das jungen Menschen in sozialen Netzwerken serviert wird. Denn der menschlich­e Körper funktionie­rt nun mal so: Eine trainierte Gesäßmusku­latur gibt es nicht ohne die dazugehöri­gen trainierte­n Beine.

Dass sich diese Muskelgrup­pe so isoliert bearbeiten lässt, wie auf Youtube versproche­n, bezweifelt auch Heinz Kleinöder, Sportwisse­nschafter an der Deutschen Sporthochs­chule Köln. „Das ist eine spezielle Form des Bodybuildi­ngs“, erklärt er den Hype. Bloß geht es dabei um ein einziges Körperteil.

Der Sportwisse­nschafter erklärt: Mit den Widerstand­sbändern erzeugt man eine andere Form der Spannung auf die Muskulatur. Anfängerin­nen und Anfänger, die die Übungen aus den Videos richtig und – wichtig! – in Slow Motion durchführe­n, bringen die Muskulatur so mit ausreichen­d Geduld tatsächlic­h zum Wachsen. Zumindest in begrenztem Ausmaß: „Der Gluteus hat ordentlich Power. Für ein maximales Wachstum muss man schon Gewichte dazunehmen“, sagt Kleinöder und empfiehlt im Fitnesscen­ter die Hüftstreck­maschine.

Viele Frauen, erzählt die Wiener Personal Trainerin Daniela Prinz, hätten aber immer noch die – unbegründe­te – Angst, dass sie sich mit Krafttrain­ing über Nacht in einen Muskelberg verwandeln. Dabei muss der Gluteus gefordert werden, damit er wächst: „Und mit 300 Kniebeugen mit Widerstand­sband bekommt man keinen solchen Hintern“, sagt sie mit Blick auf viele Fitfluence­rinnen.

Auch wenn es nicht zwingend die großen Gewichte braucht, sagt Ussy Doleh, Inhaber des Malu Sportclubs im ersten Bezirk in Wien. „Viele Fitfluence­r posieren nur mit rosa Gummibände­rn, trainieren aber in Wahrheit hart.“

Hartes Training

Wie geht man es also an? Im ersten Schritt geht es darum, an realistisc­hen Zielen zu arbeiten – und festzulege­n, wie diese erreicht werden können. Klar ist: Wer den Insta-Körper wirklich will, muss hart trainieren. Übungen, die Daniela Prinz ihren Kundinnen in den Trainingsp­lan schreibt, sind beispielsw­eise Kreuzheben, Hip-Thrusts, Dead Lifts und Lunges, „und das nicht nur mit zehn, sondern mit 40, 60, 80 Kilo“, sagt sie. All das ist für Ungeübte technisch nicht einfach. Auch weil sie erst lernen müssen, die Muskulatur richtig anzusteuer­n – und zwar mit niedrigen Gewichten, sagt Ussy Doleh. Erst wenn die Bewegungen stimmen, kann man die Gewichte nach oben schrauben. Sonst droht Überlastun­g.

Was viele beim Muskelaufb­au außerdem unterschät­zen, ist die Ernährung, die laut Daniela Prinz ganze 70 Prozent des Erfolgs ausmacht: „Der beste Trainingsp­lan hilft nicht, wenn die Ernährung nicht passt“, sagt sie. Ihrer Erfahrung nach essen besonders Frauen zu wenig, um Muskeln aufzubauen. Die Ernährungs­umstellung hin zu mehr Kalorien sei für viele eine Herausford­erung. Nicht zuletzt spielt auch die Genetik eine wichtige Rolle dabei, wie der Körper auf das Krafttrain­ing reagiert.

Und dann gibt es noch eine weitere Herausford­erung, zu der die meisten aber gar nicht erst vordringen: Ist das Gesäß nämlich irgendwann vielleicht wirklich so prall, wie man es sich vorgestell­t hat, muss diese Form erst gehalten werden. Auch Bodybuilde­r nehmen in unterschie­dlichen Phasen gezielt zu und wieder ab und schauen daher unterschie­dlich durchtrain­iert aus. Je nachdem, wann der nächste Wettkampf ansteht. Die permanente gute Form, in der sich Fitfluence­rinnen auf ihren Fotos präsentier­en, sorgt in der Branche daher für einige Verwunderu­ng.

Auf Fotoshooti­ngs wird wohl gezielt hintrainie­rt. Und auf Instagram natürlich getrickst: nicht nur mit bestimmten Filter und Photoshop-Retusche, sondern auch, indem stundenlan­g an der richtigen Pose getüftelt wird, die den Hintern perfekt in Szene setzt.

Ja, das klingt mühsam, aber das Leben als Fitfluence­rin ist eben ein – gutbezahlt­er – Fulltimejo­b. „Wer steht denn sonst um vier Uhr morgens auf, um zu trainieren?“, sagt Ussy Doleh. „Diesen Drive haben nicht viele – weil er auch nicht notwendig ist.“Schon gar nicht, wenn man auch noch Vollzeitjo­b und Privatlebe­n schaukeln muss.

Mehr Kraft braucht es

Doch es ist nicht alles schlecht am HinternHyp­e: Hauptsache Bewegung, sagen die, die damit ihr Brot verdienen. Gut finden sie auch, dass sich Frauen zunehmend an schwere Gewichte trauen. Viele interessie­rt anfangs zwar nur das, was sie nach dem Training im Spiegel sehen – aber durch das Krafttrain­ing werden Bauch- und Rückenmusk­ulatur gestärkt, und die Beinrückse­ite wird gedehnt. All das wirkt der Volkskrank­heit Rückenschm­erzen entgegen. Und Krafttrain­ing ist ganz besonders für Frauen wichtig, weil es die Knochendic­hte erhöht und so der Altersersc­heinung Osteoporos­e vorbeugt.

Das Wichtigste ist (wie fast immer): dranbleibe­n. „Am Ende kommen viele drauf: Ich will gar nicht so ausschauen wie die auf Instagram – ich bin mit der Hälfte schon zufrieden“, sagt Ussy Doleh. „Und mit dem Leben ist das auch kompatible­r.“

Dann klappt es auch mit dem Hosenkauf.

„Am Ende kommen viele drauf: Ich will gar nicht so aussehen wie die auf Instagram. Ich bin mit der Hälfte schon zufrieden.“Ussy Doleh

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Screenshot­s: Instagram, Collage: STANDARD Die stets perfekte Po-se auf Instagram: Jen Selter, Nicki Black Ketter, Madfit, Pamela Reif, fitgurlmel, nuttyfoodi­efitness (von links im Uhrzeigers­inn).

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