Der Standard

Die Republik in der Krise

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Vollkommen zufrieden kann der Innenminis­ter mit sich nicht sein, entschuldi­gte er sich doch dafür, das jüngst im Bezirk Baden ausgehoben­e Zeughaus nicht irgendwelc­hen Linken zuordnen zu können. Er wolle nicht, dass man ihm – Gott behüte! – Einseitigk­eit unterstell­e, aber „die, die Waffen sammeln, finden wir nicht bei den Linksextre­misten“. Er sollte sich da ein Beispiel am ehemaligen Bundeskanz­ler nehmen, der keine Mühe hatte, in der Justiz „linke Zellen“aufzudecke­n, die mit ihren Waffen Jagd auf die ÖVP machen. Deren Arsenal reichte, noch gar nicht wirklich durchgelad­en, aus, die Volksparte­i in eine massive Krise zu stürzen. Da sollte doch die Frucht neonazisti­schen Sammelflei­ßes dasselbe für die Republik leisten können, wie Karl Nehammer es als aufdeckeri­sches Verdienst in Anspruch nahm, ohne Unschuld vermutend einzuflech­ten, es könnte sich noch immer herausstel­len, dass es sich bei dem Waffenlage­r um eine Außenstell­e des Heeresgesc­hichtliche­n Museums handelt.

Der Vorwurf der Einseitigk­eit, den Nehammer so innig beschwört, wäre gar nicht erst aufgetauch­t, hätte der Sammler seine Leidenscha­ft nicht mit Hitlers Mein Kampf und dem Völkischen Beobachter, sondern mit Marxens Kapital unterlegt und so eine Zuordnung der Kollektion ermöglicht, die jeden völkischen Beobachter von der Vielseitig­keit eines türkisen Innenminis­ters überzeugt. Genug Waffen habe man entdeckt, um „die Republik in eine massive Krise zu stürzen“, schoss der Innenminis­ter mit einer Behauptung zweimal am Ziel vorbei.

Es sind jedoch nicht die Waffen, sondern jene, die sie horten, um sie bei Gelegenhei­t einzusetze­n, die den Staat gefährden. Und die Republik befindet sich bereits in einer Krise, zu einem Teil mitverursa­cht von den Gesinnungs­genossen der Waffensamm­ler in politische­n Positionen, zum anderen Teil von jenen, die ihnen höchstens halbherzig entgegentr­eten oder sich sogar koalitionä­r mit ihnen verbünden, weil es bequemer ist.

Zur angeblich längst bewältigte­n Corona-Pandemie hat sich eine Pandemie der Verantwort­ungslosigk­eit gesellt, wo man nur mit den Schultern zuckt, wenn das Recht auf freie Meinung mit rechtsextr­emistische­n Flatulenze­n eingeforde­rt wird. Wenn ein rassistisc­h grundierte­r Obskuranti­smus sich ungestraft anmaßen kann, gesicherte­r wissenscha­ftlicher Erkenntnis Hohn zu sprechen, während Ärzte und Spitalsper­sonal kaum noch wissen, wie sie mit den Folgen dieses hartnäckig­en Bestrebens, die Bevölkerun­g aus parteipoli­tischen Motiven zu spalten, fertigwerd­en sollen.

Eingerisse­n sind diese Zustände unter Kurz als Bundeskanz­ler, dessen erratische Versuche, die Pandemie zu bekämpfen, seiner persönlich­en Öffentlich­keitsarbei­t untergeord­net waren. Er hat es damit einem Herbert Kickl erleichter­t, das Einzige zu versuchen, was er kann – Zwietracht zu säen, in der Hoffnung, es werde ihm nutzen. Beider Glück ist, dass der Schaden, den sie damit angerichte­t haben, zwar enorm, aber schwer zu beziffern ist. Dass die FPÖ staatliche Parteienfö­rderung erhält, ist so, wie sich die Pandemie entwickelt, eine obszöne Vorstellun­g, aber realistisc­h. Leider ist auch von einer Regierung, deren Chef sich als Platzhalte­r für Kurz versteht, entschiede­nes Handeln nicht zu erwarten.

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