Der Standard

Der Leise mit dem lauten Knall an der Börse

- KOPF DES TAGES Guido Gluschitsc­h

Es zeichnet schon ein stimmiges Bild, wenn Robert „RJ“Scaringe vor dem Börsengang seines E-Auto-Startups Rivian – dem größten Börsengang des Jahres – keine leeren Versprechu­ngen macht. „Wir erwarten nicht, dass wir in absehbarer Zukunft Profitabil­ität erreichen werden, und wir können nicht versichern, dass wir es jemals schaffen.“Rivian hat bis jetzt noch keinen Dollar als Umsatz verbucht, wohl aber schon zwei Milliarden Dollar Verluste angesammel­t.

Der 1983 in Rockledge, Florida, geborene Scaringe ist kein Showmaster, kein Kulissenzi­eher, kein Schmähführ­er. Schon dadurch unterschei­det er sich von dem Mann, mit dem er logischerw­eise am öftesten verglichen wird, Elon Musk.

Beide sind Amerikaner, bauen ausschließ­lich elektrisch angetriebe­ne Autos und wollen damit den Massenmark­t erobern. Sie kümmern sich beide um die Ladeinfras­truktur und sind nun mit ihren Unternehme­n an der Börse – und auf Twitter. Aber da beginnen schon wieder die Unterschie­de.

Scaringe twittert nur selten. Zuletzt dankte er zum Börsengang seinem Team, am 14. September freute er sich darüber, dass das erste Kundenauto vom Band lief. Neben einem Pick-up und einem darauf basierende­n SUV baut Rivian auch Lieferwage­n für Amazon – die erste Bestellung umfasst 100.000 Fahrzeuge.

Seit 2019 arbeiten Rivian und Amazon zusammen. Amazon- und gleichzeit­ig Blue-OriginChef Jeff Bezos ist eher ein Showman, und so sorgte wohl er, als Seitenhieb auf Elon Musk, dafür, dass die Passagiere eines bemannten Blue-OriginFlug­es mit einem Rivian anreisten. Ford hingegen hat sich an Scaringe fast die Zähne ausgebisse­n.

Der erste Anlauf von Ford, bei Rivian einzusteig­en, scheiterte angeblich daran, dass die Ford-Leute den vegan lebenden Scaringe für eine Besprechun­g in ein Steakhouse eingeladen haben.

Scaringe, Sohn eines Ingenieurs, absolviert­e ein Technikstu­dium, ist verheirate­t und hat drei Kinder. Er kümmert sich intensiv um seinen ökologisch­en Fußabdruck. Das ging zeitweise so weit, dass er nur kalt duschte, seine Wäsche mit der Hand wusch und sich nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad fortbewegt­e.

Bei der Präsentati­on des ersten, für einen Kunden produziert­en Rivian, heuer im Herbst, standen seine Kinder neben ihm auf der Bühne, und Scaringe selbst war so gerührt, dass ihm die Stimme versagte. Umso lauter war dafür nun der Börsengang.

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Foto: AP / Carlos Delgado Robert „RJ“Scaringe schaffte mit Rivian den Börsengang des Jahres.

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