Der Standard

Europas Versagen

- Kim Son Hoang

EU-Recht, Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion, Genfer Flüchtling­skonventio­n: All diese Regelwerke definieren den Schutz von Asylsuchen­den für EU-Staaten. Diese Gesetze werden regelmäßig hinterfrag­t – von politische­n Akteuren, die Zuwanderun­g für ein Grundübel der Menschheit halten. Mit dem Jahr 2015, dem Jahr der großen Fluchtbewe­gungen, haben sich diese Angriffe verstärkt.

Doch es wäre ein äußerst schwierige­s Unterfange­n, diesen Gesetzen abzuschwör­en. Also versucht man, sie zu umgehen oder zu ignorieren: Italien etwa kooperiert mit dubiosen libyschen Milizen, damit diese Menschen im Mittelmeer abfangen. Ungarn führt seit längerem illegale Abschiebun­gen nach Serbien durch – sogenannte Pushbacks. Kroatien und Griechenla­nd greifen mittlerwei­le zum gleichen Mittel, vereinzelt auch Österreich, wie das Landesverw­altungsger­icht Steiermark im Sommer im Fall eines Marokkaner­s festhielt. Doch während das alles noch mehr oder weniger heimlich vonstatten­ging, agiert Polen aktuell unverhohle­n an der belarussis­chen Grenze: Menschen werden mit Gewalt zurückgedr­ängt, die EU gar nicht ins Grenzgebie­t gelassen.

Das alles ist Folge einer Union, die in dieser Frage gespalten ist. Sie überlässt das Feld jenen, die auf geltendes Recht pfeifen und das Recht des Stärkeren postuliere­n. Und wenn der EU nicht schleunigs­t etwas einfällt, sind die Rechte von Asylsuchen­den in Europa dem baldigen Tode geweiht.

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