Der Standard

Alle 9200 Kinder-Impftermin­e vergeben

- David Krutzler

Den Stich selbst, erzählt Rosa tapfer, „habe ich kaum gespürt. Aber jetzt kribbelt es da beim Arm runter ein bisschen. Es ist komisch. Aber es geht schon.“Die Neunjährig­e ist Montagfrüh im Wiener Austria Center von einer Kinderärzt­in gegen das Coronaviru­s geimpft worden – genauso wie ihr siebenjähr­iger Bruder Sebastian. Um sieben Uhr hat die von der Stadt Wien organisier­te KinderImpf­straße für Fünf- bis Elfjährige ihren Betrieb aufgenomme­n. 9200 Termine bis zum Jahresende wurden am Samstag für diese junge Altersgrup­pe freigescha­ltet. Der Andrang war riesig: Montagfrüh waren alle Termine vergeben.

„Ich habe gejubelt, als ich die Termine erhalten habe“, erzählt Maria M., die Mama von Rosa und Sebastian. „Ich wollte für unsere Kinder den gleichen Schutz wie für uns Eltern haben.“Seit Sommer habe sie daher auf die Zulassung der Impfung für unter Zwölfjähri­ge gehofft. Zuletzt probierte sie es auch bei den wenigen Kinderärzt­en in Wien, die diese Impfung „off label“– also ohne Zulassung der europäisch­en Behörde – bereits durchführe­n. „Aber die wurden überrannt und haben Kinder mit Vorerkrank­ungen vorgezogen, was ich völlig nachvollzi­ehen konnte.“

Großer Andrang

Weil immer mehr Eltern in Wien den Wunsch einer Corona-Schutzimpf­ung für ihre Kinder äußerten, hat sich die Stadt Wien dazu entschiede­n, diese Impfung trotz fehlender Zulassung zu ermögliche­n. „Wir empfehlen diese Impfung nicht, aber wir wollen diese Möglichkei­t bieten“, sagte Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) bei der Eröffnung der Kinder-Impfstraße in einem eigenen Bereich im Austria Center. Nach Eigenangab­en der Stadt ist das die erste großflächi­ge, von Behördense­ite organisier­te Kinder-Impfkampag­ne gegen das Coronaviru­s in Europa. In den USA werden unter Zwölfjähri­ge bereits mit Biontech/Pfizer geimpft. Die USArzneimi­ttelbehörd­e FDA gewährte eine Notfallzul­assung.

In Europa wird noch auf die Zulassung dieses Impfstoffs durch die Arzneimitt­elagentur EMA gewartet. Ärztekamme­r-Präsident Thomas Szekeres rechnete mit dem offizielle­n Go für die Kinderimpf­ung bereits „in den nächsten Tagen“. Das Angebot der Stadt Wien „off label“befürworte­te Szekeres.

Die Impfungen werden vorerst nur von Kinderärzt­innen und -ärzten durchgefüh­rt. Weil es vor den Stichen längere Aufklärung­sgespräche für Eltern und Kinder benötigt, „können wir nicht in der üblichen Geschwindi­gkeitsrout­ine impfen“, sagte Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ).

Bald weitere Impftermin­e

Nach dem enormen Ansturm auf die mittlerwei­le ausgebucht­en Termine wird aber nachgebess­ert: In etwa zwei Wochen, nach der ersten Überprüfun­g der Pilotphase, „werden die Impfkapazi­täten maßgeblich erhöht“, kündigte Hacker an. Konkrete Zahlen wurden vorerst keine genannt. Dann sollen aber auch Allgemeinm­ediziner impfen können.

Es könnte aber schneller gehen: Sollte die Zulassung der EMA für die Impfung der unter Zwölfjähri­gen noch im November erfolgen, wird die Kinderimpf­ung sofort ins Regelprogr­amm übernommen, wie ein Sprecher Hackers erklärte. Dann können Kinderimpf­ungen auch ohne Termin durchgefüh­rt werden.

Montagfrüh wurden die ersten Fünf- bis Elfjährige­n in der Wiener Kinder-Impfstraße geimpft. Bis Jahresende gab es 9200 Termine, diese sind alle ausgebucht. Bald soll es weitere Slots geben, kündigte die Stadt an.

Maria M. ist jedenfalls froh, dass ihre Kinder Rosa und Sebastian bereits geimpft sind. Der Kinderarzt habe sich lange für das Beratungsg­espräch Zeit genommen. Aufgeklärt wurde auch über normale Nebenwirku­ngen sowie über mögliche Komplikati­onen, bei denen Rücksprach­e mit dem Arzt zu halten ist. „Rosa und Sebastian sind beide sehr sportlich. Der Arzt hat geraten, dass sie in den nächsten fünf Tagen aber kein Training machen sollen“, erzählt ihre Mutter.

Alle Impfungen erhalten

Gerald Schwarzl hat für seine Kinder Pia (8) und Theo (5) Impftermin­e ergattert – und war ebenfalls erleichter­t. „In unserem Bekanntenk­reis ist ein Kind erkrankt, das wegen Corona ins Spital und auf die Überwachun­gsstation musste“, sagt Schwarzl. Die Frage der Impfung für die Kinder sei dann dringender geworden. Und nachdem Pia und Theo bisher alle Impfungen des österreich­ischen Impfplans erhalten hätten, sei die Sachlage auch für Corona klar gewesen.

Stadtchef Ludwig warb am Montag auch generell für die Impfung. Skeptisch zeigt er sich aber bei der Frage der Impfpflich­t für Gesundheit­sberufe, die ja Gesundheit­sminister Wolfgang Mückstein (Grüne) angekündig­t hatte. Die Gefahr, dass sich Personen bei einer Verpflicht­ung beruflich umorientie­ren, sei gegeben. Hier müsse es Gespräche mit den Sozialpart­nern geben. Dass es auch im Pflege- und Gesundheit­sbereich Menschen gebe, die sich nicht impfen lassen wollen, bezeichnet­e Ludwig als „Fehler. Aber es ist nun einmal so.“Bei Neuanstell­ungen im Wiener Gesundheit­sverbund gibt es übrigens bereits eine Impfpflich­t.

Die Zahl der Impfungen in Österreich zeigt jedenfalls weiter nach oben. In der vergangene­n Woche wurden im Durchschni­tt rund 66.000 Impfungen pro Tag verabreich­t. Am Sonntag waren es 36.839 Impfungen, 10.697 davon waren Erststiche. 68,5 Prozent der Gesamtbevö­lkerung in Österreich haben bisher zumindest eine Corona-Impfung erhalten.

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Foto: APA / Roland Schlager Der Ansturm auf die „Off label“-Impftermin­e ist riesig. Bald könnte es aber auch eine EU-Zulassung geben.

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