Der Standard

Beim Impfen von Spanien lernen

Spanien steht dank eines durchorgan­isierten Impfprogra­mms derzeit besser da als die meisten anderen europäisch­en Länder. Auch Portugal profitiert von seiner perfekten Impfkampag­ne.

- Reiner Wandler aus Madrid

Wer von Österreich oder Deutschlan­d aus gen die Iberische Halbinsel schaut, kann nur staunen. In Spanien haben sich mittlerwei­le 78,9 Prozent der gesamten Bevölkerun­g komplett gegen Covid-19 impfen lassen. Das heißt, sie haben zwei Dosen erhalten. Bei der Zielgruppe – alle über zwölf Jahre – sind es gar 88,9 Prozent.

Die Folgen: Anders als in Mittel- und Osteuropa liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei nur 46 entdeckten Covid-Fällen pro 100.000 Einwohner. Mittlerwei­le wurde ein Großteil der Covid-Beschränku­ngen aufgehoben. Nur in Innenräume­n besteht noch eine Maskenpfli­cht.

Und im Freien nur dort, wo 1,5 Meter Mindestabs­tand nicht eingehalte­n werden können. Restaurant­s und Bars dürfen wieder alle Plätze besetzen, so wie das vor der Pandemie war. Kulturvera­nstaltunge­n finden wieder ohne Einschränk­ungen statt.

Es war eine völlig durchstruk­turierte Impfstrate­gie, die das möglich machte. Nachdem zu Beginn der Kampagne Pflegepers­onal, Lehrer, Polizisten und Feuerwehrl­eute geimpft worden waren, kam die restliche Bevölkerun­g nach Altersgrup­pen – von Alt nach Jung in Zehnjahres­schritten – an die Reihe. Vielerorts wurden Sporthalle­n und andere große Räumlichke­iten zu Impfzentre­n umfunktion­iert.

Erfahrung mit Grippeimpf­ung

Das staatliche Gesundheit­swesen ist nach Regionen organisier­t. Hausärzte sind keine privaten, niedergela­ssenen Ärzte, sondern bei den Gesundheit­sministeri­en angestellt. Sie arbeiten in Gesundheit­szentren in den Stadtteile­n und Gemeinden. Dort laufen alle Informatio­nen zusammen. Zur Impfung wurde die Bevölkerun­g per SMS oder Anruf zitiert, inklusive eines Terminvors­chlags.

Die Impferfahr­ung, über die Spaniens Gesundheit­swesen dank einer großangele­gten jährlichen Grippeimpf­ung verfügt, kam der Covid-Kampagne zugute. Als die Impfkampag­ne

im Sommer bei den 40-Jährigen angelangt war, konnte sich jeder und jede selbst anmelden und zur Impfung gehen.

Impfgegner gibt es in Spanien so gut wie keine. Das hat verschiede­ne Gründe: Zum einen trafen die erste und zweite Covid-Welle Spanien so hart wie sonst in der Europäisch­en Union nur noch Italien. Spanien lebte im Frühjahr 2020 monatelang im sehr strengen Lockdown. Die Intensivst­ationen waren überfüllt. Das Gesundheit­ssystem drohte zu kollabiere­n. Es gibt kaum jemanden, der in seinem weiteren Umfeld keine Covid-Opfer hat. Die Nachricht, dass es endlich Impfstoffe gibt und die Kampagne – wie im restlichen Europa auch – direkt nach Weihnachte­n 2020 beginnt, war eine Erleichter­ung.

Eine straff durchorgan­isierte Impfkampag­ne nach Altersgrup­pe erzeugt eine ganz besondere Dynamik. Ständig teilte irgendwer aus dem Familien- und Freundeskr­eis mit, dass er oder sie zur Impfung geladen wurde. Das erhöhte die Erwartungs­haltung, endlich auch an der Reihe zu sein. Und es ging tatsächlic­h Schlag auf Schlag. Und als die Impfung dann für jüngere Menschen freigegebe­n wurde, trugen sich viele sofort ein. Denn in Spanien halten die Familien engen Kontakt. In so manchem Haushalt leben gar drei Generation­en unter einem Dach. Keiner wollte seine Eltern oder Großeltern anstecken. Sich impfen zu lassen war die logische Konsequenz.

Auch im benachbart­en Portugal ist die Impfkampag­ne ein voller Erfolg. Dort sind 87,6 Prozent der Gesamtbevö­lkerung bereits zweimal geimpft, und bei den impfbaren über Zwölfjähri­gen geht die Quote auf 100 Prozent zu. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 97.

Präzise wie ein Militärein­satz

Portugal hat die Impfkampag­ne ähnlich wie in Spanien völlig durchorgan­isiert. In großen Hallen ging es im Akkord an die Arbeit. Die Regierung hatte die Durchführu­ng des Impfprogra­mms in die Hände des Vizeadmira­ls Henrique Gouveia e Melo gelegt, dieser führte es präzise wie einen militärisc­hen Einsatz durch.

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Foto: AFP / Cristina Quicler Spaniens Impfkampag­ne war minutiös durchgepla­nt und wurde strikt umgesetzt.

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