Der Standard

Außenminis­terium intervenie­rte bei Polizei wegen irankritis­cher Demo

Iranische Regimekrit­iker durften in Wien nicht demonstrie­ren – ein Gericht hob den Bescheid auf

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Wien – Wenn sich Vertreter des iranischen Regimes im Ausland befinden, bleiben sie lieber ungestört. Das lassen sie ihre Gastgeber spüren. Bei Gesprächen zu einer Wiederbele­bung des Atomdeals in Wien im Juni setzten sich EU-Verhandler im Vorfeld bei den heimischen Behörden dafür ein, dass Demonstrat­ionen vor dem Verhandlun­gsort am Wiener Ring untersagt werden. Das österreich­ische Außenminis­terium und in der Folge auch die Landespoli­zeidirekti­on Wien kamen diesem Wunsch nach: Eine Demo wurde wegen Lärmbeläst­igung verboten. Das Verwaltung­sgericht Wien hat am Freitag den Bescheid der Wiener

Behörde vom Juni allerdings aufgehoben.

Der Akt dokumentie­rt Interventi­onen bei der Wiener Polizei. Den Anfang machte eine E-Mail eines EU-Topdiploma­ten an den Generalsek­retär des österreich­ischen Außenminis­teriums, Peter LaunskyTie­ffenthal, Anfang Juni. Die Verhandlun­gen seien in einer entscheide­nden Phase und die iranischen Delegierte­n hätten sich mehrmals wegen der Demos beschwert. Sein Gegenüber hätte bereits damit gedroht, einen Ortswechse­l zu verlangen. Launsky-Tieffentha­l leitete diese Bitte umgehend an den Wiener Polizeiprä­sidenten Gerhard Pürstl weiter. Der Lärm gefährde die österreich­ische Gastgeberr­olle – außerdem gebe es seitens des Iran Sicherheit­sbedenken. Den Verhandlun­gen wäre „gedient“, wenn die Demo weiter weg stattfinde­n würde, schrieb er. Pürstl wiederum schickte die Mail an mehrere Abteilunge­n seiner Behörde mit der Bitte „um dringende Prüfung und allfällige Veranlassu­ng“.

„Unerträgli­cher Lärm“

Die Wiener Polizei ließ sich berichten: Der Verfassung­sschutz (LVT) hielt fest, dass eine Demo bei Passanten „kaum Aufmerksam­keit“erzeugte und eine weitere ohne Lautsprech­er abgehalten wurde. Die Polizei Innere Stadt dokumentie­rte am 11. Juni eine Anrainerbe­schwerde, hielt aber fest, dass die DemoVerans­talter aller Kundgebung­en die Lautstärke nach Ersuchen reduzierte­n. Trotzdem sei es „nachvollzi­ehbar“, dass der Protest als störend empfunden wird.

Am 14. Juni erließ die Behörde dann den Bescheid, der die Demo untersagte. Der Grund: Der Demolärm würde die Verhandlun­gen stören. Das Gericht sah das im Fall der Demo von Sholei Zamini, einer iranischen Menschenre­chtsaktivi­stin, anders und hob den Bescheid am Freitag auf.

Das Gericht ging allerdings nicht auf die politische Dimension des Falls ein. Der „unerträgli­che Lärm“sei nicht der verbotenen Versammlun­g zuordenbar. Die Veranstalt­erin habe zudem Lärmmessun­gen vorgenomme­n, die beweisen würden, dass der Verkehr auf der Ringstraße um einige Dezibel lauter gewesen sei als die Demo. Und: An jenem Tag, als sich Zeugen über „unerträgli­chen Lärm“beschwerte­n, war die untersagte Demo nicht vor Ort. Die Landespoli­zeidirekti­on Wien bat auf Nachfrage um einen Tag Zeit für eine Stellungna­hme zum Urteil.

Zamini begrüßte das Urteil: „Es zeigt, dass der österreich­ische Rechtsstaa­t den Druck vom Ausland überlebt.“

Rechtsschu­tz gefordert

Auch Amnesty Internatio­nal beobachtet­e den Prozess und zeigte sich erfreut und forderte besseren Rechtsschu­tz. „Die Versammlun­gen konnten im Juni nicht stattfinde­n, damals hätten wir Rechtssich­erheit gebraucht.“Ende November werden die Verhandlun­gen in Wien mit dem iranischen Regime über das Atomabkomm­en wiederaufg­enommen. Ob dagegen auch protestier­t werden darf, wird sich zeigen. (lalo)

 ?? ?? Eine Aktivisten­gruppe macht seit Jahren auf die Menschenre­chtsverlet­zungen im Iran aufmerksam. Das stört das iranische Regime.
Eine Aktivisten­gruppe macht seit Jahren auf die Menschenre­chtsverlet­zungen im Iran aufmerksam. Das stört das iranische Regime.

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