Der Standard

Kaum Raum für die Wiener Opposition

Grüne suchen seit einem Jahr nach neuer Rolle

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Rund ein Jahr ist es her, da wurde die Welt der Wiener Grünen ordentlich durchgerüt­telt. Nach einem ersten schleppend­en Gespräch mit der damaligen Vizebürger­meisterin und Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein verkündete Stadtchef Michael Ludwig (SPÖ), es sich mit den Neos als neuem Juniorpart­ner ausschnaps­en zu wollen. Bis zuletzt hielten vereinzelt­e Grüne – nach zehn Jahren Partnersch­aft mit den Roten – an dem Wunschdenk­en fest, die Koalitions­gespräche könnten sich noch an der einen oder anderen Frage spießen.

Doch dem war nicht so, und so besiegelte­n Ludwig und Christoph Wiederkehr (Neos) am 16. November 2020 bei der Verkündung von Rot-Pink das vorläufige Schicksal der Grünen: Seither drückt die ÖkoPartei die Opposition­sbank – und ist dabei nicht gerade wenig mit sich selbst beschäftig­t. Schnell, noch im vergangene­n Winter, wurde Hebein als Parteichef­in abmontiert, die Wahl einer neuen Parteiführ­ung ließ jedoch auf sich warten. Erst im Oktober 2021 wurde auf der grünen Landesvers­ammlung mit den beiden nicht amtsführen­den Stadträten Peter Kraus und Judith Pühringer eine neue Doppelspit­ze bestimmt. Der Andrang an der Urne war jedoch überschaub­ar: Nur rund 200 Personen gaben ihre Stimme ab.

Das Problem der Grünen, denen einst nachgesagt wurde, sie seien nicht regierungs­fähig: Sie mussten Opposition erst wieder lernen. Und das in einer Zeit, die für den Selbstfind­ungsprozes­s nicht viel schwierige­r hätte sein können. Mitten in der Klimakrise schaffte es die Öko-Partei nicht, mit ihrem zentralen Thema groß zu punkten. Zuletzt starteten die Grünen etwa eine Klimaschut­zkampagne, um gegen „den von der SPÖ propagiert­en Bau der Stadtautob­ahn zu mobilisier­en“. Bis Mitte Dezember soll die Kampagne das Bewusstsei­n dafür schärfen, dass „fossile Großprojek­te mit aktuellen Klimaziele­n nicht länger vereinbar“seien. Doch zu omnipräsen­t ist seit Monaten das Thema Corona – und das dazugehöri­ge Krisenmana­gement Ludwigs.

Außerdem stellen die Grünen im Bund den kleinen Koalitions­partner. Zumindest anfänglich goutierten auch die Wiener Grünen die Zusammenar­beit im Bund von Parteichef Werner Kogler und Co mit der türkisen Truppe rund um Sebastian Kurz. Gegen die Bundesregi­erung zu wettern ziemt sich da nicht. An der Regierungs­arbeit der eigenen Partei Kritik zu üben gleicht einem Schuss ins Knie. Themen gäbe es aber genug, die der Wiener Landespart­ei zuwider sind, etwa der Umgang mit Flüchtling­en. Wien hatte sich schon im Wahlkampf vor über einem Jahr für die Aufnahme minderjähr­iger Flüchtling­e eingesetzt.

Türkise Bundesprob­leme

Aber die Grünen sind nicht die Einzigen, die in der Hauptstadt mit Aufmerksam­keit kämpfen müssen. Auch wenn die größte Opposition­spartei, die ÖVP, ein ganz anderes Problem hat. Bei den Türkisen wollen Gerüchte über eine mögliche Ablöse von Landespart­eichef und Bundesfina­nzminister Gernot Blümel einfach nicht abreißen. Die Krise der Bundespart­ei inklusive des Kanzlerwec­hsels half auch nicht gerade dabei. Blümel rückte daher zur WienRede aus, die – allen Spekulatio­nen zum Trotz – nicht einem Rücktritt geschuldet war, sondern vielmehr ein Zeichen seines Bleibens sein sollte. (ook, rwh)

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