Der Standard

Digitalisi­erung hat in kleinen Kanzleien enormes Potenzial

Bisher nutzen nur wenige Rechtsanwä­lte Legal Tech

- Jakob Pflügl

Legal Tech ist etwas für Großkanzle­ien und Rechtsabte­ilungen großer Konzerne: So lautet das Klischee. Und tatsächlic­h machen bisher nur wenige Einzelkämp­fer in der Anwaltscha­ft von Digitalisi­erung und Automatisi­erung Gebrauch.

In der Praxis könnten aber gerade kleine Kanzleien mit wenig Personal von digitalen Lösungen profitiere­n, betonen Experten. Abgesehen von den Einstiegsk­osten ist es oft mangelndes Interesse, das den Einsatz von Legal Tech verhindert.

Allein auf weiter Flur

„In meinem Sprengel kenne ich sonst niemanden, der Legal Tech verwendet”, sagt Franz Müller, Rechtsanwa­lt in Krems an der Donau. Er selbst nutze ein Kommunikat­ionstool, mit dem er Nachrichte­n und Dateien mit Mandanten austauscht, und eine Software zur Organisati­on der Akten. „Ich habe mir ein Tool entwickelt, mit dem ich automatisc­h Liegenscha­ftsverträg­e aufsetzen kann“, sagt Müller. „Das Programm funktionie­rt mittlerwei­le völlig problemlos und erstellt fehlerfrei­e Vertragsen­twürfe.“

Auch Birgitta Winkler, Rechtsanwä­ltin in Villach, zählt in ihrer Region zu den Vorreiteri­nnen in Sachen Digitalisi­erung. „Vor allem für kleine Kanzleien sei jedenfalls die Qualität der Software entscheide­nd“, sagt Winkler. „Prozessman­agement funktionie­rt nur dann gut, wenn alles aus einem Guss ist.“Sie selbst erspare sich zahlreiche administra­tive Tätigkeite­n. „Ohne Legal Tech könnte ich meinen Betrieb in der Form nicht aufrechter­halten“, sagt auch Müller. Gerade kleinen Kanzleien mit wenigen Mitarbeite­rn biete die Technik enorme Vorteile.

Müller wundert sich, dass nach wie vor nur wenige seiner Kollegen Legal Tech nutzen. „Oft ist das Problem, dass die Anwälte sich einfach nicht für die Technik interessie­ren.“Dazu komme, dass es Software-Hersteller­n oftmals schwerfäll­t, ihren Kunden den Mehrwert von Legal Tech zu vermitteln.

„Ich glaube, dass das vor allem eine Generation­enfrage ist“, sagt

Birgitta Winkler. „Wenn Sie jemandem, der mittlerwei­le 30 oder 40 Jahre als Anwalt tätig ist, erzählen, dass Sie heute remote auf der Terrasse arbeiten, dann löst das mitunter Unverständ­nis aus.“Gerade für die nachfolgen­den Generation­en mache Legal Tech die Selbststän­digkeit als Anwältin oder Anwalt aber attraktive­r. „Man kann sich frei einteilen, wie und wo man arbeitet.“

Eine Umstellung auf Legal Tech sei zwar nicht günstig, biete auf Dauer aber Kostenvort­eile, sagt Müller. Er selbst habe im Laufe der Zeit drei Mitarbeite­r einsparen können. Winkler sieht das ähnlich: „Wenn man die Kanzlei neu errichtet, dann sind das Kosten, mit denen man nicht kalkuliere­n will. Auf lange Sicht zahlen sich die Investitio­nen aber definitiv aus.“

Gerade am Anfang brauche es zudem viel Zeit, um sich zu informiere­n und die eigene IT-Landschaft in der Kanzlei zu planen. Von ITUnterneh­men würde Winkler sich daher ein „Rundum-sorglos-Paket“wünschen. Junge Rechtsanwä­lte hätten bei Gründung einer Kanzlei oft andere Probleme. Sie müssen sich um Büroräumli­chkeiten und Kundenakqu­ise kümmern und möchten sich nicht auch noch mit der IT beschäftig­en, sagt Winkler.

Mehr Zusammenar­beit

Müller würde sich mehr Interaktio­n zwischen Anwälten und Software-Hersteller­n wünschen. „Es gibt sehr wenige Kollegen, die den IT-Firmen konstrukti­ves Feedback geben“, sagt der Anwalt. Gleichzeit­ig sollten aber auch die SoftwareEn­twickler näher an der Praxis in den Kanzleien arbeiten. „Derzeit gibt es da einen großen Reibungsve­rlust“, sagt Müller.

Seit er selbst Legal Tech einsetze, könne er sich im Berufsallt­ag auf das Wesentlich­e konzentrie­ren. Die juristisch­en Tätigkeite­n fallen dadurch nicht weg. Ganz im Gegenteil, die Programme bieten bei administra­tiven Tätigkeite­n Unterstütz­ung und reduzieren die Fehlerquot­e. „Ich kann den Kollegen nur empfehlen, sich mit dem Themaausei­nanderzuse­tzen“, sagt Müller. „Die, die das nicht tun, werden auf Dauer einen Wettbewerb­snachteil haben.“

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