Der Standard

Etablierte Anbieter verdrängen die Start-ups

Der Legal-Tech-Markt geht gerade durch eine Phase der Konsolidie­rung. Größere Anbieter kaufen kleinere auf oder verdrängen sie mit Paketlösun­gen. Für Start-ups ist die einzige Lösung die Integratio­n unterschie­dlicher Tools.

- Eric Frey

Die Rechtsbran­che ist nicht für dynamische Entwicklun­gen bekannt, Anwälte halten es gerne mit Tradition. Umso erstaunlic­her ist das Wachstum des LegalTech-Sektors, in dem vor allem seit 2014 immer mehr Start-ups neue digitale Lösungen anbieten, die den Rechtsanwe­ndern das Leben erleichter­n sollen. Was ursprüngli­ch in den USA und Großbritan­nien begann, ist inzwischen auf Kontinenta­leuropa übergeschw­appt. Und Österreich hat durch den 2018 von mehreren großen Anwaltskan­zleien gegründete­n Legal Tech Hub Vienna, vor kurzem in Legal Tech Hub Europe (LTHE) unbenannt, einen wichtigen Beitrag zu diesem Wachstum beigetrage­n.

Wichtige Schnittste­llen

Doch auch dieser junge Markt geht durch seine erste Konsolidie­rungsphase. Große Anbieter wie etwa Thompson Reuters kaufen kleinere auf oder verdrängen diese mit ihren Paketlösun­gen aus dem Markt. Um mit den Riesen mitzuhalte­n, schließen sich verschiede­ne Start-ups zu Partnersch­aften zusammen und bündeln über Schnittste­llen ihre Produkte – oder erleichter­n zumindest deren Integratio­n. Denn für die Kunden, allen voran die Anwaltskan­zleien, sind Einzellösu­ngen für unterschie­dliche Anwendunge­n immer brauchbar, sagt Stefan Artner, Partner bei Dorda Rechtsanwä­lte. „Diese Schnittste­llen sind die Feinheiten, die eine gute Idee zum Laufen bringen,“sagt er. „Niemand will ein Tool, das nicht mit anderen sprechen kann.“

Ein Beispiel sei das Programm Time Bro, das Kanzleität­igkeiten digital aufzeichne­t und im aktuellen Accelerato­r-Programm des Legal Tech Hub praktische Unterstütz­ung erhält. „Als alleinsteh­endes Tool hilft uns das recht wenig, es braucht Schnittste­llen zu unseren anderen Programmen, um es zu integriere­n.“Und diese Schnittste­llen etablieren sich immer mehr als Industries­tandard, sagt auch Andrei Salajan, der die Kanzlei Schönherr technisch betreut. „Die Anbieter werden immer flexibler, um mit anderen Anbietern und Tools zusammenzu­arbeiten.“

Aber selbst wenn die Integratio­n verschiede­ner Legal-Tech-Produkte

einfacher geworden ist, entscheide­n sich immer mehr Kunden für große Anbieter, die alles aus einer Hand anbieten, sagt Alric Ofenheimer,

Partner bei Eisenberge­r+Herzog. Wer das tut, verzichte auf die Flexibilit­ät und Anpassungs­bereitscha­ft, die Start-ups auf der Suche nach Kunden anbieten, gewinne aber Sicherheit. „Die etablierte­n Anbieter haben sophistica­ted Produkte, aber sind nicht flexibel, weil sie für den großen Markt produziere­n“, sagt Ofenheimer. Wenn man die Wahl hat, geht man trotzdem immer öfter zu den Etablierte­n, weil man dann weiß, dass sie in den nächsten fünf bis zehn Jahren immer nach am Markt sind.“

Allerdings sind viele der Standardpr­odukte für den angloameri­kanischen Markt konzipiert und daher in Europa nur eingeschrä­nkt nutzbar, etwa bei der Due Dilligence, sagt Artner. Das erschwere etwa die Due Dilligence. „Sie erkennen nur englischsp­rachige und gleichlaut­ende Dokumente“, sagt er. Das eröffne Chancen für europäisch­e Anbieter für Künstliche-Intelligen­z-Systeme wie Della, die auch deutsch beherrsche­n.

Was bedeutet das für all jene Start-up-Gründer, die mit kreativen Ideen und viel Engagement LegalTech-Produkte entwickelt haben? Laut Sophie Martinetz, Geschäftsf­ührerin des Legal Tech Hub und Organisato­rin der Wiener LegalTech-Konferenz, ist das Marktumfel­d für sie zuletzt viel schwierige­r geworden, weil die Großen ihnen wenig Platz lassen. Aber die wenigsten haben aufgegeben, betont Artner. „Es dauert alles dreimal so lang, als die meisten Start-ups es sich erhofft haben, aber sie leben fast alle noch“, sagt er. „Es gibt nur sehr wenige, die ausgeschie­den sind.“

„Niemand will ein Tool, das nicht mit anderen sprechen kann.“

Stefan Artner, Dorda Rechtsanwä­lte

Vorreiter Österreich

Anders als in den USA wächst der heimische Markt für Legal-TechProduk­te noch langsam, auch wenn immer mehr Kanzleien die Vorteile der Digitalisi­erung für sich entdecken, sagt Artner. Dennoch spielt Österreich in diesem Prozess europaweit eine führende Rolle, betont Ofenheimer. Das liege nicht nur an der frühen Elektronis­ierung von Grund- und Firmenbuch, sondern auch am Beitrag des Legal Tech Hub, der in den vergangene­n Jahren unzählige Start-ups gefördert und mit der Praxis der Kanzleien und Rechtsabte­ilungen vertraut gemacht hat. „Wir sind Vorreiter, die Deutschen schauen neidvoll zu uns, was wir gemacht haben.“

 ?? ?? Über Schnittste­llen können Legal-Tech-Kunden Produkte verschiede­ner Anbieter miteinande­r verknüpfen.
Über Schnittste­llen können Legal-Tech-Kunden Produkte verschiede­ner Anbieter miteinande­r verknüpfen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria