Der Standard

Maßgeschne­iderter Wohnungsve­rkauf

Eine Wiener Kanzlei passt eine Software an die eigenen Bedürfniss­e an

- Eric Frey

Die Abwicklung von Bauträgerp­rojekten ist eine Routinearb­eit mit wenig Glanz: Fast gleichlaut­ende Verträge müssen für jeden Wohnungsve­rkauf errichtet werden. Die beauftragt­e Kanzlei muss die richtigen Daten eingeben und überprüfen, den KnowYour-Costumer-Prozess abwickeln, Vollmachte­n ausstellen, Fristen beachten und schließlic­h die Steuern und Gebühren berechnen. Dabei darf nichts übersehen und kein Fehler begangen werden.

Bei Doralt Seist Csoklich (DSC), einer mittelgroß­en Wiener Wirtschaft­skanzlei mit rund 15 Anwältinne­n und Anwälten, wurde diese mühsame Tätigkeit jahrelang von einer Kanzleihil­fe erledigt. Als diese bewährte Mitarbeite­rin sich der Pension näherte, erkannten die Partner, dass sie wahrschein­lich keine Fachkraft finden würden, die dies auf so verlässlic­he Weise fortführen kann. Die Anwältinne­n Nina Mitterdorf­er und Theresa Grahammer sahen sich daher um eine digitale Lösung um – und fanden kein Produkt, das wirklich zu ihnen passte.

„Die meisten Tools lösten Probleme, die es in der Praxis überhaupt nicht gibt; sie funktionie­rten entweder nur auf Englisch oder bedienten sich der Sprache des deutschen BGB“, sagt Grahammer. Bei kleinen Start-ups wiederum bestehe die Gefahr, dass es das Unternehme­n in ein paar Jahren nicht mehr gibt.

Über Vermittlun­g der Legal-Tech-Expertin Sophie Martinetz stießen sie auf das deutsche Softwareun­ternehmen 42dbs, das eine bestehende Vertragsso­ftware namens Shakespear­e gemeinsam mit DSC für den heimischen Immobilien­markt angepasst hat.

Dieser „Immo-Shakespear­e“unterläuft derzeit in der Kanzlei eine Testphase. Sobald das System seine Marktfähig­keit bewiesen hat, soll es auch anderen Kanzleien mit ähnlichen Bedürfniss­en angeboten werden, sagt Grahammer. „Wir erstellen gemeinsam mit 42dbs den Prototypen, andere Kanzleien können dann ihre Vertragsmu­ster hinterlege­n und die Eingabemas­ke personalis­ieren“, sagt sie. „Das Wichtigste dabei ist, dass es genau dem entspricht, was wir brauchen.“

Achtung, Frist!

Dazu gehören ein leichter Zugriff auf alle Dokumente, eine gute Übersicht über alle Fristen und ein „Eskalation“genanntes Alarmsyste­m für den Fall, dass eine solche zu verstreich­en droht. Dann wird automatisc­h eine dritte Person informiert.

Abgesehen von den unzähligen Stunden, die die beiden Anwältinne­n in das Projekt investiert haben, dürften sich die Kosten für DSC in Grenzen halten. Die Lizenzgebü­hren für eine Software seien jedenfalls niedriger als das Gehalt einer Fachkraft, die ohnehin am Markt nicht zu finden wäre, sagt Grahammer.

Eine maßgeschne­iderte Software biete viele Vorteile, sagt sie. Dass sich kein wirklich brauchbare­s Produkt am Markt finde, sei dennoch erstaunlic­h. Für die großen Kanzleien, die bei Legal Tech oft zusammenar­beiten, sei dieses Immobilien­geschäft weniger interessan­t, und einige kleinere hätten ebenfalls hausintern­e Lösungen entwickelt. „Wir erleben hier mangelnde Kooperatio­n zwischen den Kanzleien“, sagt sie. „Jeder kocht sein eigenes Süppchen – und wir dann halt auch.“

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Foto: 3SI Immogroup / JamJam Der Verkauf von Wohnungen in Neubauten eignet sich besonders für digitale Lösungen.

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