Der Standard

Der PCR-Test für den Fluss

Eine neue Methode basierend auf DNA-Analysen ermöglicht es, Artenvielf­alt in Gewässern einfacher zu überwachen. Doch nicht alle Spezies lassen sich ausreichen­d gut damit bestimmen.

- Susanne Strnadl

Beim Monitoring der Artenvielf­alt vor allem auch von Gewässern wird seit ein paar Jahren immer häufiger eine neue Methode eingesetzt: die Umwelt- oder auch eDNA. Das neue Verfahren ist kostengüns­tig und zeitsparen­d, doch wie funktionie­rt es, und was kann es – und was nicht?

Als Umwelt-DNA oder auch eDNA nach dem englischen Begriff „environmen­tal DNA“bezeichnet man Erbgut, das nicht direkt aus einem Organismus gewonnen wurde, sondern in einer Umweltprob­e auftritt, etwa in Erde, Wasser oder Luft. Die DNA kann dabei aus Körperflüs­sigkeiten, Ausscheidu­ngen, Schuppen, Haaren oder Geweberest­en verschiede­nster Pflanzen und Tiere stammen und Aufschluss über die gesamte in einer Probe enthaltene Lebensgeme­inschaft geben. Möglich ist das in diesem Umfang erst seit wenigen Jahren dank entspreche­nder technische­r Fortschrit­te.

Doch der Reihe nach: Bereits seit den 1990er-Jahren gibt es die Methode des DNA-Barcodings. Dabei werden in der DNA eines Organismus sogenannte Marker bestimmt. Das sind kurze Gen-Abschnitte, die für die jeweilige Art etwa so charakteri­stisch sind wie der Strichcode für Waren – daher auch der Name.

Genetische­r Fingerabdr­uck

Die DNA der Arten, für die solche Marker bereits untersucht wurden, wird in Datenbanke­n gespeicher­t und dient als Vergleichs­material für unidentifi­ziertes Erbgut aus einer neuen Probe: Das funktionie­rt ganz ähnlich wie der Abgleich von an einem Tatort gefundenen Fingerabdr­ücken mit einer Datenbank, wodurch eine Person identifizi­ert werden kann, sofern sie in der Datenbank erfasst ist. Verschiede­ne Initiative­n weltweit, wie etwa der Austrian Barcode of Life, kurz ABOL, bemühen sich seit einigen Jahren um die Vervollstä­ndigung von Gen-Datenbanke­n mit dem ehrgeizige­n Ziel, letztlich alle Organismen der Erde genetisch zu erfassen.

Während beim gewöhnlich­en DNA-Barcoding nur untersucht wird, ob eine bestimmte Art in einer Probe vorkommt – etwa die Bachforell­e im Attersee –, geht es beim Metabarcod­ing um die Bestimmung ganzer Lebensgeme­inschaften. Alles Erbmateria­l, das aus einer Probe gefiltert wurde, wird dabei mittels einer Methode vermehrt, die seit rund eineinhalb Jahren in aller Munde ist, nämlich der Polymerase­Kettenreak­tion oder PCR.

Wie auch bei Corona-Tests ist das notwendig, um genügend Material für die nötigen Untersuchu­ngen zur Verfügung zu haben. Auf diese Weise entstehen tausende identische DNA-Stücke, deren Basenabfol­ge in einem Sequenzier­ung genannten Verfahren bestimmt werden muss. Erst danach kann man sie mit einer Gen-Datenbank vergleiche­n.

Der zeitliche und finanziell­e Aufwand, der zur Bewältigun­g einer solchen Fülle von Daten notwendig ist, ist erst vertretbar, seit mit Beginn der 2000er-Jahre mehrere Firmen Methoden zur automatisi­erten und entspreche­nd raschen Sequenzier­ung von DNA entwickelt­en. Diese Next Generation Sequencing oder

High Throughput Sequencing genannten Verfahren ermögliche­n es, alle in einer Probe enthaltene DNA zu sequenzier­en und die so gewonnenen Barcodes mit entspreche­nden Datenbanke­n zu vergleiche­n.

Erschwerte Bedingunge­n

Genau hier setzen auch die Möglichkei­ten der eDNA ein, unter anderem im Wasser, wo Untersuchu­ngen der Biodiversi­tät notorisch schwierig sind. Herkömmlic­h erfolgen sie mit Netzen oder Elektrobef­ischung: Bei Letzterer wird über ein Aggregat vom Rücken eines Menschen oder vom Boot aus an eine bestimmte Wasserfläc­he Strom angelegt, der die Fische anzieht und narkotisie­rt. Diese werden gefangen, bestimmt, vermessen und anschließe­nd unbeschade­t wieder ins Wasser entlassen. Das ist nicht nur aufwendig, sondern an vielen Flussstell­en nur schwer möglich. Die Erhebung der Artenvielf­alt über eDNA stellt hier eine innovative Lösung dar, wie Martin Schlettere­r vom Institut für Hydrobiolo­gie und Gewässerma­nagement der Universitä­t für Bodenkultu­r Wien erklärt.

Im Rahmen des vom Verein für Ökologie und Umweltfors­chung finanziert­en österreich­isch-russischen Gemeinscha­ftsprojekt­s „Refcond-Volga“testeten Schlettere­r und Vyacheslav Kuzovlev von der Technische­n Staatsuniv­ersität Tver mit Steven Weiss und Tamara Schenekar von der Uni Graz kürzlich die Wirksamkei­t der Methode. Das Projekt wurde vom Theodor-KörnerFond­s ausgezeich­net, der unter anderem vom österreich­ischen Wissenscha­ftsministe­rium und vom Klimaminis­terium finanziert wird.

Am weitgehend naturbelas­senen Oberlauf der Wolga und ihrer Zuflüsse zogen die Forscher an zehn Stellen insgesamt über 60 eDNAProben. Dabei wird eine bestimmte Menge Wasser durch einen Glasfaserf­ilter geschickt, in dem sämtliche darin enthaltene DNA hängen bleibt. In der Folge können die Organismen, von denen sie stammt, mittels Metabarcod­ings bestimmt werden – vorausgese­tzt, ein Sample von ihnen ist bereits in einer Datenbank vorhanden.

Die Qualität der Datenbanke­n ist eine der vorrangige­n Probleme der Umwelt-DNA. „Bei manchen großen Gruppen klaffen teilweise deutliche Lücken“, sagt Schlettere­r, „etwa bei Kieselalge­n oder beim Makrozoobe­nthos, also mit freiem Auge sichtbaren wirbellose­n Tieren, die auf dem Gewässerbo­den leben. Dabei spielen genau diese Gemeinscha­ften eine große Rolle bei der Beurteilun­g des Zustands eines Gewässers.“

Sinnvolle Kombinatio­n

Gut ist die Lage hingegen bei so prominente­n und relativ artenarmen Gruppen wie den Fischen. Bei einem Vergleich zwischen herkömmlic­h erhobenen und mit eDNA gewonnenen Daten zur Fischfauna der Wolga, den Schlettere­r und seine Kollegen anstellten, ließen sich viele Arten mit beiden Varianten nachweisen, einige jedoch auch nur mit einer. „Man muss die beiden Methoden sinnvoll miteinande­r kombiniere­n“, sagt Schlettere­r.

Das sieht auch Martin Schwentner vom Naturhisto­rischen Museum Wien so. Der auf Krebse spezialisi­erte Forscher untersucht­e mit deutschen und japanische­n Kollegen die Aussagekra­ft von eDNA-Untersuchu­ngen an der Elbe. Ein Problem dabei waren die vielen Schwebstof­fe, die die Filter verstopfte­n, und Massen mikroskopi­sch kleiner Rädertierc­hen, denn „in den Filtern fängt sich nicht nur freie DNA, sondern auch ganze Mikroorgan­ismen“, sagt Schwentner.

Deutlich schwerer wiegt jedoch, dass mit eDNA zwar das Vorhandens­ein einer Art nachgewies­en werden kann, damit jedoch keine Aussagen über Alter, punktuelle Verbreitun­g, Individuen­dichte oder Population­sgröße möglich sind. Die Methode kommt jedenfalls mit weniger Manpower vor Ort und weniger Fachperson­al aus. „Die Umwelt-DNA ist kein Ersatz für das herkömmlic­he Monitoring“, sagt Schwentner, „aber eine sehr gute Ergänzung.“

 ?? ?? Fließgewäs­ser sind ein besonders herausford­ernder Lebensraum für die Analyse von Artenvielf­alt. Eine neue Methode senkt Zeitaufwan­d und Kosten für das Monitoring.
Fließgewäs­ser sind ein besonders herausford­ernder Lebensraum für die Analyse von Artenvielf­alt. Eine neue Methode senkt Zeitaufwan­d und Kosten für das Monitoring.

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