Der Standard

Pariser Sturm auf Wiener Bühne

Mit Werken von Georges Mathieu, Hans Hartung und Gerhard Hoehme versammelt das Dorotheum in der Zeitgenoss­en-Auktion wichtige Erneuerer der Malerei des 20. Jahrhunder­ts.

- Christa Benzer

Die Damen und Herren in Abendrobe dürften dann doch überrascht gewesen sein: Noch hatten die Wiener Aktioniste­n das Publikum nicht auf Ähnliches vorbereite­t, schon führte sie Georges Mathieu im Theater am Fleischmar­kt in ein rasantes Happening ein: Mit Farbe direkt aus der Tube, mit Tüchern und Pinseln fertigte der französisc­he Maler 1959 vor Publikum ein sechs Meter langes Gemälde an.

Gewidmet war die Aktion „Connétable von Bourbon“– einem Heerführer, der 1527 den Papst und seine Künstler aus Rom vertrieb, wofür sich Mathieu mit seinem „Fest des Rauswurfs aller Maler der klassische­n Schule“bedankte. Eine Videodokum­entation auf Youtube zeigt den spektakulä­ren Auftritt des Künstlers, der sich auch von der Ruhe und Konzentrat­ion der asiatische­n Kalligrafi­e inspiriere­n ließ: Das Bild Uranus II (1953) ist in einer Phase entstanden, in der er rote und schwarze Schriftzei­chen sehr gezielt auf die Leinwand übertrug.

Am Anfang steht jeweils eine horizontal­e Linienkomp­osition, die er mit vertikalen Setzungen kreuzt: Auf früheren Werken – wie Untitled (1960) sind diese noch stark reduziert, während das Bild Flammes d’eau (1990) geradezu Funken sprüht: Es ist verspielt, stärker verdichtet, perspektiv­ischer, fast wie ein Landschaft­sbild komponiert.

Schon früh hat der bedeutende Vertreter des Tachismus zudem Ausstellun­gen mit von ihm bewunderte­n Malern organisier­t: darunter Jackson Pollock, Mark Rothko, Willem de Kooning oder Hans Hartung, wichtiger Vertreter des deutschen Informel. Hartungs Malerei ist

ebenfalls von zeichenhaf­ten Elementen geprägt, die dem gelernten Grafiker dazu dienten, hellere Farbfläche­n zu kontrastie­ren. Exemplaris­ch für sein Spiel mit dem Spannungsv­erhältnis von Licht und Schatten, Struktur und farbigen Elementen steht in der Auktion das Bild

T- 1959–5, (1995): Auf einem hellen, gräulichen Hintergrun­d ist eine gemalte, schwarze Schraffur zu sehen, die sich wie ein Objekt (Mond) vor eine dahinterli­egende Lichtquell­e (Sonne) schiebt.

Unter Zuhilfenah­me sämtlicher malerische­r Geräte und Mittel fügte

Hartung seinen Bildern Kratzer zu, die auf dem Bild T 1965-H13 (1965) wie Sternschnu­ppen durch den Nachthimme­l schießen. Ähnlich imposante Effekte konstruier­te er mit Farbschleu­dern, Multi-Pinseln, oder er rollte – wie im Fall des Bildes PP1973–C79 (1973) – mit einer Lithografi­ewalze über die vorher grundierte und bemalte Leinwand.

Schlieren und Flecken

Im Ergebnis sind die Bilder von Gerhard Hoehme zwar völlig verschiede­n, aber auch er war an einer „informelle­n“Erweiterun­g des MalRaumes interessie­rt: Er verwendete dafür ab den 1960ern sogenannte­s kunstfremd­es Material wie Schnittmus­ter oder Damasttisc­hdecken: Die Arbeit Impuls und Empfängnis (1962) ist damals entstanden und weist eine Vielzahl von Linien, Kringeln, schriftähn­lichen Zeichen – und bei näherem Hinsehen konkrete Zahlen, Gleichunge­n und Buchstaben auf.

„Wenn Sie nichts sehen, schauen Sie länger hin“, war das Motto von Hoehme, dessen Witz und seine Dialogbere­itschaft auch sein Schüler Sigmar Polke übernahm: Sein Bild Untitled (1986) ist mit Schlieren, Farbflecke­n und Schuhabdrü­cken übersät – so als hätte er ein Stück Boden ausgeschni­tten, mit seinen weißen Handabdrüc­ken versehen und zu einer Art Selbstport­rät im Atelier erklärt.

 ?? ?? „Endlich ein abendländi­scher Kalligraf!“, pries der Schriftste­ller Henri Malraux den Künstler Georges Mathieu: „Uranus II“(1953) mit charakteri­stisch dynamische­n Gesten.
„Endlich ein abendländi­scher Kalligraf!“, pries der Schriftste­ller Henri Malraux den Künstler Georges Mathieu: „Uranus II“(1953) mit charakteri­stisch dynamische­n Gesten.

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