Eine Impfpflicht ist kein Impfzwang
Die Strafen für jene, die sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen wollen, könnten mehrere Tausend Euro hoch sein. Die Neos fordern eine Steuerbefreiung, wenn Unternehmer freiwillig Impfboni an Mitarbeiter auszahlen.
Als die Regierung vergangene Woche die allgemeine Impfpflicht ankündigte, wurden rasch Stimmen laut, die den „Impfzwang“kritisierten. Der Begriff ist allerdings fehl am Platz, denn körperlichen „Zwang“wird es nicht geben. Geplant sind Verwaltungsstrafen – deren konkrete Ausgestaltung ist allerdings noch offen.
Wie die Impfpflicht für Gesundheitsberufe, die im Dezember noch kommen soll, aussehen soll, ist da schon deutlich konkreter. Im Entwurf zu dem Gesetz sind bei Verstößen bis zu 3600 Euro oder vier Wochen Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen – das sei auch für Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) die Richtschnur, wie sie kürzlich sagte. Die konkrete Strafe müsste allerdings die Behörde festlegen. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Auch die Einkommensverhältnisse der betroffenen Personen müssten beachtet werden, sagt Medizinjurist Karl Stöger. Strafen dürfen jedenfalls nicht existenzgefährdend sein.
Fraglich ist auch, ob die Strafe einmal verhängt werden soll – man sich also „freikaufen“kann – oder ob es wiederkehrende Strafen geben wird. Verfassungsrechtler Christoph Bezemek hält das jedenfalls für zulässig: „Wenn ich mich nicht impfen lasse, dann verbleibe ich ja im rechtswidrigen Zustand.“Die Behörde könnte bei einem Verstoß gegen die Impfpflicht eine Frist setzen. Hält sich die betroffene Person nicht daran, könnte sie abermals abgestraft werden.
2G im Job ist noch offen
Drohen Verwaltungs- oder gar Haftstrafen, kann sich grundsätzlich jede Person aussuchen, ob sie sich impfen lassen will oder eine Strafe in Kauf nimmt. „Einen körperlichen Zwang“– also dass jemandem die Nadel mit Gewalt in den Arm gejagt wird – „wird es nicht geben“, sagt Stöger. Ein solcher ist übrigens auch im Entwurf zur Impfpflicht für Gesundheitsberufe explizit ausgeschlossen.
Ob Impfverweigerern künftig arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, hängt davon ab, ob der Gesetzgeber auch hier nachschärft. Derzeit gilt am Arbeitsplatz eine 3Grecht,
Pflicht, denkbar wäre allerdings die Einführung einer 2G-Regel. Bei Verstößen würden nicht nur Geldstrafen, sondern auch arbeitsrechtliche Konsequenzen wie Kündigung oder Entlassung drohen.
Bleibt die bisherige 3G-Regel weiter bestehen, käme es zu einer bizarren Situation. Menschen müssten sich offiziell zwar impfen, könnten aber auch ungeimpft in die Arbeit gehen. Aus Sicht von Fabian Blumberger, Rechtsanwalt für Arbeitskönnte der Arbeitgeber aber auch von sich aus eine 2G-Regel einführen. Bisher war das unter Juristen umstritten. Gäbe es eine staatliche Impfpflicht, wäre die Argumentation für den Arbeitgeber im Fall eines Rechtsstreits aber leichter, sagt Blumberger.
Der Nationalratsabgeordnete Gerald Loacker (Neos) will mit einem anderen Vorstoß die Impfbereitschaft erhöhen. An ihn seien Unternehmer herangetreten, die ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen „gerne einen Impfbonus auszahlen würden, wenn diese schon geimpft sind oder sich jetzt impfen lassen“.
Das Problem, mit dem diese sich aber konfrontiert sehen: Diese Boni müssten von der Steuer befreit werden, damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht am Ende die Hälfte an den Staat abgeben müssen. „Wir geben jetzt wieder so viel Geld für die Wirtschaft aus – wenn das bewirkt, dass sich mehr Menschen impfen lassen, wäre das sogar ein Geschäft für den Finanzminister und kein Ausfall“, meint Loacker. Aus dem Büro von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hieß es, man werde sich den Vorschlag „rechtlich ansehen und das intern beraten“. Allzu viel Zeit bleibt dafür freilich nicht. Im Dezember müsste eine Änderung im Einkommensteuergesetz (EstG) im nächsten Plenum im Parlament beschlossen werden.
Ausnahmen vom Amtsarzt
Auch abseits des Jobs wird es für Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, jedenfalls Ausnahmen geben. Laut Entwurf für die Impfpflicht beim Gesundheitspersonal ist das durch eine amtsärztliche Bestätigung nachzuweisen. Für Jurist Stöger ist das schlüssig: Immerhin seien ein Amtsarzt oder eine Amtsärztin einerseits dem Staat, andererseits dem ärztlichen Berufsrecht verpflichtet. „Wenn jeder das ausstellen kann, besteht die Gefahr von Gefälligkeitsattesten“, sagt Stöger.
Der ORF geht übrigens einen ganz anderen Weg und startet eine Impflotterie: Mitmachen darf, wer zwischen 1. Oktober und 20. Dezember geimpft wurde, egal ob Erst-, Zweitoder Drittstich.
„Einen körperlichen Zwang zur Impfung wird es jedenfalls nicht geben.“Jurist Karl Stöger