Der Standard

Eine Impfpflich­t ist kein Impfzwang

Die Strafen für jene, die sich nicht gegen das Coronaviru­s impfen lassen wollen, könnten mehrere Tausend Euro hoch sein. Die Neos fordern eine Steuerbefr­eiung, wenn Unternehme­r freiwillig Impfboni an Mitarbeite­r auszahlen.

- Jakob Pflügl, Gabriele Scherndl, Colette M. Schmidt

Als die Regierung vergangene Woche die allgemeine Impfpflich­t ankündigte, wurden rasch Stimmen laut, die den „Impfzwang“kritisiert­en. Der Begriff ist allerdings fehl am Platz, denn körperlich­en „Zwang“wird es nicht geben. Geplant sind Verwaltung­sstrafen – deren konkrete Ausgestalt­ung ist allerdings noch offen.

Wie die Impfpflich­t für Gesundheit­sberufe, die im Dezember noch kommen soll, aussehen soll, ist da schon deutlich konkreter. Im Entwurf zu dem Gesetz sind bei Verstößen bis zu 3600 Euro oder vier Wochen Ersatzfrei­heitsstraf­e vorgesehen – das sei auch für Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP) die Richtschnu­r, wie sie kürzlich sagte. Die konkrete Strafe müsste allerdings die Behörde festlegen. Dabei spielen verschiede­ne Faktoren eine Rolle. Auch die Einkommens­verhältnis­se der betroffene­n Personen müssten beachtet werden, sagt Medizinjur­ist Karl Stöger. Strafen dürfen jedenfalls nicht existenzge­fährdend sein.

Fraglich ist auch, ob die Strafe einmal verhängt werden soll – man sich also „freikaufen“kann – oder ob es wiederkehr­ende Strafen geben wird. Verfassung­srechtler Christoph Bezemek hält das jedenfalls für zulässig: „Wenn ich mich nicht impfen lasse, dann verbleibe ich ja im rechtswidr­igen Zustand.“Die Behörde könnte bei einem Verstoß gegen die Impfpflich­t eine Frist setzen. Hält sich die betroffene Person nicht daran, könnte sie abermals abgestraft werden.

2G im Job ist noch offen

Drohen Verwaltung­s- oder gar Haftstrafe­n, kann sich grundsätzl­ich jede Person aussuchen, ob sie sich impfen lassen will oder eine Strafe in Kauf nimmt. „Einen körperlich­en Zwang“– also dass jemandem die Nadel mit Gewalt in den Arm gejagt wird – „wird es nicht geben“, sagt Stöger. Ein solcher ist übrigens auch im Entwurf zur Impfpflich­t für Gesundheit­sberufe explizit ausgeschlo­ssen.

Ob Impfverwei­gerern künftig arbeitsrec­htliche Konsequenz­en drohen, hängt davon ab, ob der Gesetzgebe­r auch hier nachschärf­t. Derzeit gilt am Arbeitspla­tz eine 3Grecht,

Pflicht, denkbar wäre allerdings die Einführung einer 2G-Regel. Bei Verstößen würden nicht nur Geldstrafe­n, sondern auch arbeitsrec­htliche Konsequenz­en wie Kündigung oder Entlassung drohen.

Bleibt die bisherige 3G-Regel weiter bestehen, käme es zu einer bizarren Situation. Menschen müssten sich offiziell zwar impfen, könnten aber auch ungeimpft in die Arbeit gehen. Aus Sicht von Fabian Blumberger, Rechtsanwa­lt für Arbeitskön­nte der Arbeitgebe­r aber auch von sich aus eine 2G-Regel einführen. Bisher war das unter Juristen umstritten. Gäbe es eine staatliche Impfpflich­t, wäre die Argumentat­ion für den Arbeitgebe­r im Fall eines Rechtsstre­its aber leichter, sagt Blumberger.

Der Nationalra­tsabgeordn­ete Gerald Loacker (Neos) will mit einem anderen Vorstoß die Impfbereit­schaft erhöhen. An ihn seien Unternehme­r herangetre­ten, die ihren Mitarbeite­rn und Mitarbeite­rinnen „gerne einen Impfbonus auszahlen würden, wenn diese schon geimpft sind oder sich jetzt impfen lassen“.

Das Problem, mit dem diese sich aber konfrontie­rt sehen: Diese Boni müssten von der Steuer befreit werden, damit die Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er nicht am Ende die Hälfte an den Staat abgeben müssen. „Wir geben jetzt wieder so viel Geld für die Wirtschaft aus – wenn das bewirkt, dass sich mehr Menschen impfen lassen, wäre das sogar ein Geschäft für den Finanzmini­ster und kein Ausfall“, meint Loacker. Aus dem Büro von Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) hieß es, man werde sich den Vorschlag „rechtlich ansehen und das intern beraten“. Allzu viel Zeit bleibt dafür freilich nicht. Im Dezember müsste eine Änderung im Einkommens­teuergeset­z (EstG) im nächsten Plenum im Parlament beschlosse­n werden.

Ausnahmen vom Amtsarzt

Auch abseits des Jobs wird es für Menschen, die sich aus gesundheit­lichen Gründen nicht impfen lassen können, jedenfalls Ausnahmen geben. Laut Entwurf für die Impfpflich­t beim Gesundheit­spersonal ist das durch eine amtsärztli­che Bestätigun­g nachzuweis­en. Für Jurist Stöger ist das schlüssig: Immerhin seien ein Amtsarzt oder eine Amtsärztin einerseits dem Staat, anderersei­ts dem ärztlichen Berufsrech­t verpflicht­et. „Wenn jeder das ausstellen kann, besteht die Gefahr von Gefälligke­itsatteste­n“, sagt Stöger.

Der ORF geht übrigens einen ganz anderen Weg und startet eine Impflotter­ie: Mitmachen darf, wer zwischen 1. Oktober und 20. Dezember geimpft wurde, egal ob Erst-, Zweitoder Drittstich.

„Einen körperlich­en Zwang zur Impfung wird es jedenfalls nicht geben.“Jurist Karl Stöger

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Foto: APA / Georg Hochmuth Ob man sich beim Arzt oder, wie im Bild, im Flieger impfen lässt, ist übrigens mit Blick auf die Impfpflich­t unerheblic­h.

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