Nutzlose und gefährliche Mittel gegen das Coronavirus
Die Nachfrage nach dem Entwurmungsmittel Ivermectin stieg seit Montag massiv an, die FPÖ wirbt dafür
Vermeintliche Wundermittel gab es schon viele, seit das Coronavirus die Welt überrollt hat. Manche waren zwischenzeitlich durchaus vielversprechend, etwa Remdesivir, ein Wirkstoff zur Virenhemmung. Andere völliger Blödsinn, wie jene Chlordioxidlösung, die unter anderem US-Präsident Donald Trump propagierte – und die hochgefährlich sein kann, wenn man sie einnimmt.
Momentan aber bestimmt die mediale Debatte das Mittel Ivermectin, ein Tier-Entwurmungsmittel, das in deutlich geringerer Dosis unter dem Namen Scorbial für die Behandlung von Krätze bei Menschen eingesetzt wird. Und zwar, weil FPÖ-Klubchef Herbert Kickl das Mittel wiederholt anpries. Erst am Sonntag wedelte auch der FPÖAbgeordnete Gerald Hauser im Parlament mit der Packungsbeilage des Humanpräparats. Vergangene Woche landete eine Österreicherin nach einer Überdosis Ivermectin auf der Intensivstation.
Seit Montagnachmittag, so heißt es von Monika Vögele, Generalsekretärin des Verbands der Pharmagroßhändler Phago, boomt das Mittel. Im Vergleich zu den ersten zwei Novemberwochen sei die Nachfrage um 50 Prozent gestiegen, an einzelnen Tagen sei sie sogar doppelt so hoch gewesen wie üblich.
Giftig in hohen Dosen
Überdosiert ist der Wirkstoff allerdings hochgiftig, selbst der Hersteller warnt bereits vor dem Einsatz gegen das Coronavirus. Dazu würde es in anderen Bereichen gebraucht: etwa in der Obdachlosenbetreuung. Auch da ist das Mittel zur Behandlung von Krätze im Einsatz, zum Beispiel beim Roten Kreuz in Tirol. Dort bestelle man Scorbial nach Angaben eines Sprechers nun über eine Klinikapotheke, weil in regulären Apotheken „oft Engpässe bestehen“. Bei der Wiener Caritas, die auch den Louisebus betreibt, mit dem obdachlose Menschen medizinisch versorgt werden, ist aber noch keine Knappheit bekannt. Der dortige ärztliche Leiter gibt an: Es gebe grundsätzlich keinen Engpass, aber „das Medikament wird nicht mehr so leichtfertig ausgegeben – aus bekannten Gründen, weil der Missbrauch in falscher Indikation nicht ungefährlich ist“. Für die eigentliche Indikation, also etwa die Krätzebehandlung, gebe es aber auch andere Präparate, Angst vor einem Engpass habe man daher nicht.
Doch auch abseits der rezeptpflichtigen Medikamente boomt das Geschäft mit den Corona-Mitteln, so wurden zuletzt etwa „Anti-CoronaKaugummis“und Rachensprays beworben. Experten sehen diese skeptisch. Die Virologin Dorothee von Laer in Innsbruck kennt keine klinischen Studien, die eine solche Wirkung beweisen würden. Solange aber garantiert ist, dass darin keine schädlichen Inhaltsstoffe enthalten sind, schaden die Mittel wohl auch nichts, so die Virologin.
Schwankungen abfedern
Auch der Pharmakologe Markus Zeitlinger von der Med-Uni Wien betont: „Keines dieser Mittel ist als Arzneimittel zugelassen oder meines Wissens auch nur bei der EMA als Arzneistoff in Evaluierung. Man muss hier auch sehr vorsichtig sein, weil für Medizinprodukte nicht die gleichen Standards gelten wie für Arzneimittel.“
Starke Schwankungen gab es vor und in der Pandemie aber auch, was andere Medikamente betrifft. Die Phago hat mehrere Medikamentengruppen ausgewertet und nun dazu Zahlen veröffentlicht. Demnach stieg die Nachfrage nach Schmerzmitteln in der Woche, als der Lockdown verkündet wurde, um über 200 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr. Bei Antibiotika verzeichnete man ein Plus von fast 100 Prozent.
In beiden Kategorien sank ab April 2021 die Nachfrage massiv ab, auf ein geringeres Niveau als gewohnt. Noch immer sei die Situation sehr volatil, sagt Generalsekretärin Vögele, die aber betont, dass man, selbst wenn die Nachlieferungen stoppen würden, für drei Wochen weiter genug Medikamente hätte. Mit diesem Puffer könne man Schwankungen abfedern.