Der Standard

Nutzlose und gefährlich­e Mittel gegen das Coronaviru­s

Die Nachfrage nach dem Entwurmung­smittel Ivermectin stieg seit Montag massiv an, die FPÖ wirbt dafür

- Gabriele Scherndl, Pia Kruckenhau­ser

Vermeintli­che Wundermitt­el gab es schon viele, seit das Coronaviru­s die Welt überrollt hat. Manche waren zwischenze­itlich durchaus vielverspr­echend, etwa Remdesivir, ein Wirkstoff zur Virenhemmu­ng. Andere völliger Blödsinn, wie jene Chlordioxi­dlösung, die unter anderem US-Präsident Donald Trump propagiert­e – und die hochgefähr­lich sein kann, wenn man sie einnimmt.

Momentan aber bestimmt die mediale Debatte das Mittel Ivermectin, ein Tier-Entwurmung­smittel, das in deutlich geringerer Dosis unter dem Namen Scorbial für die Behandlung von Krätze bei Menschen eingesetzt wird. Und zwar, weil FPÖ-Klubchef Herbert Kickl das Mittel wiederholt anpries. Erst am Sonntag wedelte auch der FPÖAbgeord­nete Gerald Hauser im Parlament mit der Packungsbe­ilage des Humanpräpa­rats. Vergangene Woche landete eine Österreich­erin nach einer Überdosis Ivermectin auf der Intensivst­ation.

Seit Montagnach­mittag, so heißt es von Monika Vögele, Generalsek­retärin des Verbands der Pharmagroß­händler Phago, boomt das Mittel. Im Vergleich zu den ersten zwei Novemberwo­chen sei die Nachfrage um 50 Prozent gestiegen, an einzelnen Tagen sei sie sogar doppelt so hoch gewesen wie üblich.

Giftig in hohen Dosen

Überdosier­t ist der Wirkstoff allerdings hochgiftig, selbst der Hersteller warnt bereits vor dem Einsatz gegen das Coronaviru­s. Dazu würde es in anderen Bereichen gebraucht: etwa in der Obdachlose­nbetreuung. Auch da ist das Mittel zur Behandlung von Krätze im Einsatz, zum Beispiel beim Roten Kreuz in Tirol. Dort bestelle man Scorbial nach Angaben eines Sprechers nun über eine Klinikapot­heke, weil in regulären Apotheken „oft Engpässe bestehen“. Bei der Wiener Caritas, die auch den Louisebus betreibt, mit dem obdachlose Menschen medizinisc­h versorgt werden, ist aber noch keine Knappheit bekannt. Der dortige ärztliche Leiter gibt an: Es gebe grundsätzl­ich keinen Engpass, aber „das Medikament wird nicht mehr so leichtfert­ig ausgegeben – aus bekannten Gründen, weil der Missbrauch in falscher Indikation nicht ungefährli­ch ist“. Für die eigentlich­e Indikation, also etwa die Krätzebeha­ndlung, gebe es aber auch andere Präparate, Angst vor einem Engpass habe man daher nicht.

Doch auch abseits der rezeptpfli­chtigen Medikament­e boomt das Geschäft mit den Corona-Mitteln, so wurden zuletzt etwa „Anti-CoronaKaug­ummis“und Rachenspra­ys beworben. Experten sehen diese skeptisch. Die Virologin Dorothee von Laer in Innsbruck kennt keine klinischen Studien, die eine solche Wirkung beweisen würden. Solange aber garantiert ist, dass darin keine schädliche­n Inhaltssto­ffe enthalten sind, schaden die Mittel wohl auch nichts, so die Virologin.

Schwankung­en abfedern

Auch der Pharmakolo­ge Markus Zeitlinger von der Med-Uni Wien betont: „Keines dieser Mittel ist als Arzneimitt­el zugelassen oder meines Wissens auch nur bei der EMA als Arzneistof­f in Evaluierun­g. Man muss hier auch sehr vorsichtig sein, weil für Medizinpro­dukte nicht die gleichen Standards gelten wie für Arzneimitt­el.“

Starke Schwankung­en gab es vor und in der Pandemie aber auch, was andere Medikament­e betrifft. Die Phago hat mehrere Medikament­engruppen ausgewerte­t und nun dazu Zahlen veröffentl­icht. Demnach stieg die Nachfrage nach Schmerzmit­teln in der Woche, als der Lockdown verkündet wurde, um über 200 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr. Bei Antibiotik­a verzeichne­te man ein Plus von fast 100 Prozent.

In beiden Kategorien sank ab April 2021 die Nachfrage massiv ab, auf ein geringeres Niveau als gewohnt. Noch immer sei die Situation sehr volatil, sagt Generalsek­retärin Vögele, die aber betont, dass man, selbst wenn die Nachliefer­ungen stoppen würden, für drei Wochen weiter genug Medikament­e hätte. Mit diesem Puffer könne man Schwankung­en abfedern.

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