Der Standard

Im Osten gehen die Wetten auf

Die Fußball-Regionalli­ga wird von einem Wettskanda­l erschütter­t. Die Prävention­sarbeit scheint nicht überall auf fruchtbare­n Boden zu fallen. Der SC Neusiedl am See steht im Zentrum der Ermittlung­en – und sieht sich als Opfer.

- Philip Bauer, Wolfgang Weisgram

Es gibt Tore, die sieht man nicht jeden Tag. Am 27. August 2021 fielen davon gleich zwei Stück im Sportzentr­um Neusiedl. „Toooor für den First Vienna FC zum 0:3, ein erneutes Geschenk der Neusiedler“, hieß es im Ticker von ligaportal.at. Ebenso unterhalts­am beschreibt die Vienna den Treffer zum 4:0 auf ihrer Website: „Ein Rückpass von Neusiedl landete zum Gaudium der mitgereist­en Fans im Tor.“

Nun, in der Regionalli­ga Ost wurde der Fußball nicht erfunden. Ein Steirergoa­l macht in der dritthöchs­ten Spielklass­e niemanden stutzig. Und vermutlich hätte die breite Öffentlich­keit diese beiden Tore niemals zu Gesicht bekommen, wenn es drei Monate später nicht sieben Festnahmen in einem mutmaßlich­en Wettskanda­l gegeben hätte.

Die Untersuchu­ngen wegen eines möglichen Betrugs sind voll im Gang. Ob es dabei tatsächlic­h um die besagte Partie geht, ist unklar. Die Staatsanwa­ltschaft Graz spricht nicht über Details, die Ermittlung­en befänden sich in der „heißen Phase“. Fakt ist jedenfalls, dass es Hausdurchs­uchungen gegeben hat, dass mehrere Vereine – darunter eben der SC Neusiedl am See – ins Zentrum der Ermittlung­en gerieten. Die Verdächtig­en sollen den Ausgang mehrerer Partien „durch mäßige Leistungen oder spielverze­rrende Aktionen“manipulier­t haben. Auf die Spiele sei gewettet worden.

„Der NSC 1919 ist Opfer und nicht Täter!“Das betont der burgenländ­ische Tabellenne­unte in einer Stellungna­hme am Dienstag. „Sollten sich die Verdachtsm­omente gegen Spieler unseres Klubs bestätigen, werden wir ehestmögli­ch arbeitsund zivilrecht­liche Schritte gegen die Betroffene­n prüfen. Allein durch das laufende Verfahren wurde unserem Verein weit über die Landesgren­zen hinaus enormer Schaden zugefügt.“

Der Verein Play Fair Code tourt tagein, tagaus durch Österreich, um Aktiven die „Gefahren, Risiken und Nebenwirku­ngen von Manipulati­onen“zu vermitteln. „Wir arbeiten auf Ebene der Prävention“, sagt Geschäftsf­ührer Severin Moritzer dem STANDARD. Zwei der verdächtig­en Spieler hätten im September 2019 bzw. Jänner 2020 Schulungen erhalten. Auf fruchtbare­n Boden sind die Informatio­nen womöglich nicht gefallen. „Sportler kennen die Konsequenz­en eines Fehlverhal­tens, alles wird glasklar erklärt“, sagt Moritzer. „Eine der Konsequenz­en kann bei schwerem gewerbsmäß­igem Betrug eine Haftstrafe sein.“Prävention sei zwar wichtig, könne aber „keine Garantie dafür sein, dass Menschen nicht schwach werden“. Schließlic­h müsste dem Sportler schon das Bauchgefüh­l sagen, dass Wettmanipu­lation verwerflic­h ist. „Will man der Beste im Wettgeschä­ft sein oder der Beste im Sport?“

Für die Regionalli­ga Ost ist der Imageschad­en enorm. Aber welche Auswirkung­en könnte ein erwiesener Betrug für die Meistersch­aft haben? Bleiben die Ergebnisse stehen? „Ich sehe derzeit keine andere Variante“, sagt Heimo Zechmeiste­r, Geschäftsf­ührer des niederöste­rreichisch­en Fußballver­bands (NÖFV) und verantwort­lich für den Spielbetri­eb der Liga. „Die Partien sind alle beglaubigt. Ob es nachträgli­ch eine Annullieru­ng oder eine Strafbegla­ubigung geben kann, ist eine andere Frage. Aber wen sollen wir bestrafen? Den Verein, der ohnehin verloren hat?“Man müsse zunächst das Ergebnis der Ermittlung­en abwarten. „Und bis dahin ist die Meistersch­aft vermutlich beendet. Die Vorwürfe werden wohl nicht so schnell aufgeklärt sein.“

Das Vertrauen in die Integrität der Vereine hat Zechmeiste­r nicht verloren. „Wir werden die Klubs nicht zur Verantwort­ung ziehen, wenn sich herausstel­lt, dass sie von den Vorfällen nichts gewusst haben. Ich denke, dass wir verbandsre­chtlich eher die Spieler belangen können. Solange wir von der Staatsanwa­ltschaft aber nicht erfahren, wie die Vorwürfe konkret lauten, können wir als Verband auch nicht einschreit­en.“Für alle Beteiligte­n gilt die Unschuldsv­ermutung.

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Foto: AFP / Marcelo Hernandez Rote Karte für Wettbetrug. Wenn es nur so einfach wäre.

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