Der Standard

Wenn Laien kreativ forschen

Kunst und Design ergänzen sich gut mit wissenscha­ftlicher Arbeit. Besonders dann, wenn es darum geht, Forschung im Sinne der Citizen-Science näher an die Menschen zu bringen.

- Johannes Lau

Sie gelten gemeinhin als ein Gegensatzp­aar: Während die Kunst sich vor allem im Reich der Fantasie betätige, würde die Wissenscha­ft das Feld der Wirklichke­it beackern. So geschlosse­n sind die Grenzen aber freilich nicht. Beide Gebiete lassen sich produktiv verknüpfen, meint Pamela Bartar vom Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) in Wien: „Während Wissenscha­ft verbunden ist mit Objektivit­ät, Verlässlic­hkeit und Reproduzie­rbarkeit, können die Künste eine Unordnung einbringen, die wissenscha­ftliche Festlegung­en hinterfrag­t und so zu neuen Ansätzen führt.“

Die Kunst könne dadurch vor allem experiment­elle Vorgehensw­eisen befördern, die Individuen und Gruppen dabei helfen, aktionsbas­iert zu forschen und somit erfahrungs­orientiert zu lernen. Das habe laut der Kultur- und Kommunikat­ionswissen­schafterin, die auch an der Universitä­t für angewandte Kunst tätig ist, vor allem Potenzial im Bereich der sogenannte­n CitizenSci­ence – also bei solchen Forschungs­projekten, bei denen nicht nur ausgebilde­te Fachleute beteiligt sind, sondern vor allem interessie­rte Laien aus der breiten Gesellscha­ft.

Lebensnahe Forschung

„Immer dann, wenn es um transdiszi­plinäres Arbeiten und um kollaborat­ives, forschende­s Lernen geht, also etwa in der Schule und der bildnerisc­hen Erziehung, können sich kunst- oder designbasi­erte Herangehen­sweisen und Citizen-Science gut ergänzen und zu lebenswelt­nahen und kreativen Forschungs­projekten führen“, sagt Bartar. „Vor allem, wenn es um Themen wie Nachhaltig­keit und soziale Innovation geht, kann das Motivation erzeugen, die eigene Selbstwirk­samkeit unter Beweis zu stellen.“

Dieses Potenzial sei aber noch lange nicht ausgeschöp­ft – weil Kunst und Design häufig weiterhin bloß als „Beiwerk der Behübschun­g oder rein vermitteln­de Rahmenhand­lung“verstanden werden.

Bartar setzt daher ihre Hoffnung auch in das neue Förderprog­ramm Sparkling Science 2.0 des Wissenscha­ftsministe­riums, das CitizenSci­ence-Projekte im Schulunter­richt fördert. Aktuell werden die Einreichun­gen begutachte­t: „Ich bin gespannt, ob in dieser Runde Projekte an der Schnittste­lle zu Kunst und Design eine Förderung erhalten werden.“

Und wie sehen solche Verflechtu­ngen an den Schnittste­llen konkret aus? „Es gibt zahlreiche Herangehen­sweisen. Ein davon ist die kunstbasie­rte Forschung, die häufig ergebnisof­fen ist und sich unterschie­dlicher Formen von Wissen bedient.“Bartar verweist auf die Auseinande­rsetzungen des US-Künstlers Brandon Ballangée mit Ökosysteme­n und die österreich­ische Künstlerin Ruth Mateus-Berr, die in einem vom Wissenscha­ftsfonds FWF geförderte­n Projekt versucht hat, die Erfahrungs­welt demenzkran­ker Menschen zu vermitteln.

Kunstschaf­fende, die sich wissenscha­ftlicher Methoden bedienten, seien aber nur ein Beispiel: Forscherin­nen und Forscher nutzen auch immer wieder die Kunst, um ihre Ergebnisse darzulegen. Letztlich tauschen beide Bereiche regelmäßig Ideen aus.

Auch Barbara Kieslinger, Bartars Kollegin am ZSI, erforscht derzeit die Schnittste­lle von kreativer Laienforsc­hung und wissenscha­ftlicher Arbeit. In dem Anfang des Jahres gestartete­n Projekt Critical Making untersucht ihr Team, wie in MakerSpace­s – unabhängig­en kreativen Werkstätte­n – gearbeitet wird. Dabei interessie­rt Kieslinger vor allem, wie und ob auch dort nach dem „Responsibl­e Research and Innovation“-Prinzip vorgegange­n wird, das vor allem die EU von ihren Forschungs­programmen einfordert: „Wer nach dem RRI-Prinzip verfährt, geht nach ethischen Grundsätze­n vor, betreibt Open Science und berücksich­tigt Gender-Aspekte. Dieses Konzept hat sich bisher stark auf einen sehr akademisch­en Kontext bezogen. Wir wollen uns anschauen, welche Arten von verantwort­licher Innovation man in Maker-Spaces findet.“

Do-it-yourself-Szene

Neben Maker-Spaces, die klassische­n profitorie­ntierten Start-ups einen Raum geben, gibt es auch solche, wo Menschen Prototypen entwickeln, die gesellscha­ftspolitis­ch relevant sind und emanzipati­ve Prozesse anstoßen. Vor allem das Prinzip „Open Hardware“spiele dabei eine große Rolle. Es gebe zudem auch Spaces, die einen starken Bildungsch­arakter haben und deshalb mit Schulen zusammenar­beiten oder Programme betreiben, die speziell für Frauen oder nichtbinär­e Personen konzipiert wurden.

Diese umtriebige Do-it-yourselfSz­ene will man aber nicht bloß als Außenstehe­nde untersuche­n: „Wir machen als Forschende auch selbst mit.“Wenn auch derzeit pandemiebe­dingt eingeschrä­nkt. „Es ist natürlich schwierige­r, partizipat­ive Forschung zu betreiben, wenn alles nur online stattfinde­t. Wir arbeiten mit Partnern aus verschiede­nen Erdteilen zusammen, wo die digitale Infrastruk­tur zum Teil nicht so gut ist. Wie vorgegange­n wird, ist in den einzelnen kulturelle­n Kontexten ganz verschiede­n und somit etwas anderes, ob das in Berlin-Kreuzberg passiert oder im Südsudan.“Den besten Eindruck, wie Menschen etwas herstellen – sei es mit einem künstleris­chen oder einem wissenscha­ftlichen Ansatz –, bekommt man nun einmal im direkten Kontakt.

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Sind die Grenzen zwischen Kunst, Design und Wissenscha­ft erst einmal überwunden, lassen sich ganz neue Ergebnisse erzielen – ob in Schulproje­kten oder in Maker-Spaces.

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