Der Standard

Die deutsche Ampelkoali­tion ist fix

Olaf Scholz führt künftig Regierung aus SPD, Grünen und der FDP an

- Birgit Baumann aus Berlin

Berlin – Zwei Monate nach den Wahlen steht die künftige deutsche Regierung. Am Mittwoch konnte der künftige Kanzler Olaf Scholz (SPD) verkünden: „Die Ampel steht“. Gemeinsam mit Vizekanzle­r Robert Habeck, Außenminis­terin Annalena Baerbock (beide Grüne) und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) will er Akzente bei Klima, Sozialem und Wirtschaft setzen.

Dazu stehen massive Investitio­nen bei Klima, aber auch beim Wohnbau an, für den es ein eigenes Ministeriu­m geben soll. Deutschlan­d will bis 2045 klimaneutr­al werden und schon 2030 aus der Kohle aussteigen. Dann soll sich auch der Bahnverkeh­r verdoppelt haben.

Dennoch bekennt man sich zur Schuldenbr­emse ab 2023. Einkommens-,

Firmen- und Mehrwertst­euer sollen gleich bleiben. Hartz IV wird durch ein Bürgergeld ersetzt.

Änderungen gibt es auch in gesellscha­ftlichen Fragen. Eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre strebt die Koalition an, Cannabis soll freigegebe­n werden, das Werbeverbo­t für Abtreibung­en wird gestrichen. (red)

Immerhin: Als die Spitzen der SPD, der Grünen und der FDP am Mittwochna­chmittag erscheinen, um den Koalitions­vertrag zu präsentier­en, da ertönt Applaus von Parteifreu­nden. Doch dann macht der künftige Kanzler Olaf Scholz gleich klar, dass es eben doch keine fröhliche Feierstund­e ist.

„Corona ist nach wie vor nicht beigelegt – leider“, sagt er und weist zunächst auf neue Maßnahmen der künftigen Regierung hin. In seinem Kanzleramt werde es einen Expertenra­t geben, zudem will die neue Bundesregi­erung einen ständigen Krisenrat mit den Bundesländ­ern einrichten.

Erst dann kommt Scholz zum Thema des Tages und betont: „Die Ampel steht.“Er spricht von einer „Koalition auf Augenhöhe“, in der alle drei Parteien „ihre Stärken einbringen zum Wohle des Landes.“Scholz: „Uns eint der Wille, das Land besser zu machen und voranzubri­ngen.“Er erinnert an das Jahr 1924, in dem in Berlin auf dem Potsdamer

Platz die erste deutsche Verkehrsam­pel aufgestell­t worden sei. „Kann das funktionie­ren?“, hätten die Menschen gefragt und über die neue Technik gestaunt.

Heute sei die Ampel nicht mehr wegzudenke­n. Und nun habe er als Kanzler den Anspruch „dass dieses Ampelbündn­is eine ähnlich wegweisend­e Rolle für Deutschlan­d spielen wird“.

„Mehr Fortschrit­t wagen“

„Mehr Fortschrit­t wagen“– so lautet der Titel des rot-grün-gelben Koalitions­vertrags. Dies erinnert an die erste Regierungs­erklärung des ersten SPD-Kanzlers Willy Brandt im Jahr 1969. Er forderte damals, man müsse „mehr Demokratie wagen“.

Grünen-Chef Robert Habeck nennt das Papier „ein Dokument des Mutes und der Zuversicht“. Er räumt aber, mit Blick auf die Verhandlun­gen, auch ein: „Es war manchmal ganz schön anstrengen­d.“

Voll des Lobes ist FDP-Chef Chrishen

tian Lindner. Man habe Scholz während der Verhandlun­gen noch mal „neu kennengele­rnt“. Lindner: „Wir haben ihn erlebt als starke Führungspe­rsönlichke­it.“Der FDP-Chef ist sich sicher: „Olaf Scholz wird ein starker Kanzler der Bundesrepu­blik Deutschlan­d sein.“

Vielleicht ist Linder ja auch deshalb so angetan, weil er Chef des Finanzmini­steriums (und damit Nachfolger von Scholz) wird. Habeck übernimmt ein neues Superminis­terium für Klima, Energie und Wirtschaft, Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock wird neue Außenminis­terin.

Klar ist generell die Aufteilung der Ministerie­n. Diese sieht so aus:

SPD-Ministerie­n Die SPD bekommt, nebst dem Kanzleramt, die Ministerie­n für Inneres, Gesundheit, Verteidigu­ng, Arbeit und Soziales sowie wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g. Sie wird auch ein neu geschaffen­es Ressort für Bauen und Wohnen führen.

Grüne Häuser An die Grünen ge

fünf Ministerie­n: Wirtschaft und Klimaschut­z, Auswärtige­s Amt, Umwelt, Naturschut­z, nukleare Sicherheit und Verbrauche­rschutz, Ernährung und Landwirtsc­haft sowie Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sie übernehmen überrasche­nderweise nicht das Verkehrsmi­nisterium.

FDP-Ressorts Dieses Haus geht an die FDP. Sie erhält insgesamt vier Ressorts: Finanzen, Verkehr und Digitales, Bildung und Forschung sowie Justiz.

Unterzeich­net wurde der Koalitions­vertrag am Mittwoch noch nicht. Dies geschieht erst, wenn alle Parteien zugestimmt haben.

SPD und FDP halten am ersten Dezemberwo­chenende jeweils einen Parteitag ab, bei dem auch die Namen der künftigen Minister und Ministerin­nen bekanntgeg­eben werden. Bei den Grünen ist die Verkündung der Namen für den Donnerstag geplant. Da beginnt auch die zehntägige Abstimmung der Parteimitg­lieder über den Koalitions­vertrag

und über das Personalta­bleau. Läuft alles nach Plan, könnte Scholz am 9. Dezember im Bundestag zum neuen Kanzler gewählt werden. Seine erste Auslandsre­ise wird ihn nach Paris zum französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron führen.

Im Falle der Kanzlerwah­l am

9. Dezember bleibt der scheidende­n Kanzlerin Angela Merkel knapp ein Rekord verwehrt. Bisher am längsten regierte Kanzler Helmut Kohl (CDU). Er war von 1982 bis 1998 und damit insgesamt 5870 Tage im Amt. Um 5871 zu schaffen, müsste Merkel am

17. Dezember noch Kanzlerin sein. Im Kabinett wurde am Mittwoch schon Abschied gefeiert. Von ihrem bisherigen Vizekanzle­r Scholz bekam Angela Merkel einen Blumenstra­uß, von der gesamten Regierung einen Pagoden-Hartriegel­strauch mit dem Beinamen „Carpe Diem“(Nutze den Tag). Es wird als „Bonsai-artiges, sehr edles Zwerggehöl­z für Gefäße“beschriebe­n.

 ?? ?? Olaf Scholz (SPD, Zweiter von rechts) geht künftig als Kanzler voran, Annalena Baerbock (Grüne) wird Außenminis­terin, Robert Habeck (beide links) Vizekanzle­r. Christian Lindner (FDP) ist für Finanzen zuständig.
Olaf Scholz (SPD, Zweiter von rechts) geht künftig als Kanzler voran, Annalena Baerbock (Grüne) wird Außenminis­terin, Robert Habeck (beide links) Vizekanzle­r. Christian Lindner (FDP) ist für Finanzen zuständig.
 ?? ?? Am Mittwoch präsentier­ten die Spitzen der künftigen Ampel-Regierung den neuen Koalitions­vertrag. Olaf Scholz (Mitte) soll in der Nikolauswo­che ins Kanzleramt einziehen.
Am Mittwoch präsentier­ten die Spitzen der künftigen Ampel-Regierung den neuen Koalitions­vertrag. Olaf Scholz (Mitte) soll in der Nikolauswo­che ins Kanzleramt einziehen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria