Der Standard

Gefallenes Wunderkind zeigt ein wenig Reue

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Ihre Aussage kam überrasche­nd. Zu einem gewissen Grad gestand sie sogar eigenes Fehlverhal­ten ein. „Ich wünschte, ich hätte es anders gemacht“, sagt Elizabeth Holmes an ihrem dritten Tag im Zeugenstan­d. Sie habe Logos der Pharmaries­en Pfizer und ScheringPl­ough auf eigene Laborberic­hte hinzugefüg­t und verschickt. Die beiden Unternehme­n erteilten eigener Aussage zufolge diesen Berichten nie ihren Sanktus. Zudem habe Theranos mit Maschinen von Drittanbie­tern gearbeitet, was sie ebenso verschwieg­en hatte.

Zur Erinnerung: Elizabeth Holmes gründete 2003 im Alter von 19 Jahren das Start-up Theranos. In kürzester Zeit avancierte sie zum Shootingst­ar des Silicon Valley, den neuen Steve Jobs (v)erkannten viele in ihr. Mit ihrer Firma entwickelt­e sie ein Verfahren, das anhand weniger Bluttropfe­n hunderte Krankheite­n erkennen sollte. Tat es aber nicht im Ansatz, die Ergebnisse waren größtentei­ls falsch. Dennoch sammelte Holmes zig Millionen Dollar von prominente­n Investoren ein, was für Theranos einen vorübergeh­enden Wert von neun Milliarden Euro bedeutete.

Nun läuft in San José seit elf Wochen der Betrugspro­zess gegen das einstige Wunderkind, im Fall einer Verurteilu­ng drohen der heute 37-Jährigen 20 Jahre Haft. Sie muss sich wegen zwölf Fällen von Betrug und Anstiftung zum Betrug verantwort­en. Die Staatsanwa­lt

Elizabeth Holmes entwickelt­e einen Bluttest, der die Welt ändern sollte. Nun muss sie sich in einem Betrugspro­zess verantwort­en. Sie gesteht zwar Fehler ein, Schuld hätten aber andere.

schaft rief 29 Zeugen auf, um ihre Behauptung zu untermauer­n, dass Holmes das Leben von Patienten gefährdete sowie Investoren und Kunden täuschte. Holmes plädiert auf unschuldig und gibt vor, nach bestem Gutdünken gehandelt zu haben.

Der Vorwurf: Während Vertragsve­rhandlunge­n mit Walgreens schickte Holmes die eingangs erwähnten Laborberic­hte sowohl an die US-Apothekenk­ette als auch an Investoren. Diese Berichte hätten viele dazu bewogen, in Theranos zu investiere­n, heißt es bei der Staatsanwa­ltschaft. Es habe den Anschein erwirkt, die Pharmaries­en hätten diese Berichte erstellt. Zudem wurde Walgreens danach einer der wichtigste­n Handelspar­tner für Theranos.

Die Berichte seien in Zusammenar­beit mit Pfizer und Schering-Plough entstanden, verteidigt sich Holmes. Sie habe deren Logos zwar ungefragt hinzugefüg­t, doch habe niemanden täuschen wollen.

Ein weiterer Vorwurf lautet, Theranos habe bewusst verschwieg­en, mit manipulier­ten Maschinen von Drittanbie­tern gearbeitet zu haben und nicht den eigenen. Dem stimmte Holmes zwar zu, sieht es jedoch anders. „Wir haben die Maschinen weiterentw­ickelt, dadurch wurden sie zu unserer Erfindung und unserem geistigen Eigentum.“Es sei essenziell gewesen, dieses Geheimnis zu wahren.

Andreas Danzer

Darüber hinaus besteht ihre Verteidigu­ngsstrateg­ie wohl zu einem guten Teil daraus, die Schuld bei anderen zu suchen. Was immer wieder zu Widersprüc­hen führt. Einerseits behauptet sie, sich primär auf die Aussagen und Reports ihrer Mitarbeite­r verlassen zu haben. Anderersei­ts erklärt sie selbstbewu­sst Details zu technische­n Vorgängen und Produkten, wie etwa das Wall Street Journal (WSJ) schreibt. Nach einer Artikelrei­he des WSJ im Jahr 2015 wurden die Probleme überhaupt erst bekannt. Eine Prüfung durch die US-Gesundheit­sbehörde CDC bestätigte diese Probleme im folgenden Jahr.

Weitere Sündenböck­e

Auch für weitere Schwierigk­eiten findet Holmes Sündenböck­e. Irreführen­de Finanzprog­nosen seien von ihrem Geschäftsp­artner und Ex-Lebenspart­ner Ramesh Balwani ausgegange­n. Sie wirft ihm überdies sexuellen Missbrauch vor. Verwirrend­es Marketingm­aterial sei von einer externen Firma ausgegange­n, der man vertraut habe. Und dass die Zusammenar­beit mit Walgreens und dem Supermarkt Safeway scheiterte, lag an einem Wechsel in der Unternehme­nsführung.

Für die Thanksgivi­ng-Feiertage unterbrach der Richter die Verhandlun­g. Kommende Woche startet die Staatsanwa­ltschaft die Befragung von Elizabeth Holmes.

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Foto: Reuter / Stephen Lam Elizabeth Holmes verstrickt sich immer wieder in Widersprüc­he.

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