Der Standard

Politisch unfassbar

- Fabian Sommavilla

Viele Ischgler wollen ja bis heute nicht einsehen, warum man ausgerechn­et auf ihnen so herumhackt. Dass die Pandemie ausgerechn­et im Ski-Eldorado ihren ersten österreich­ischen Höhepunkt feierte, sei nicht ihre Schuld. Womit sie vermutlich recht haben: Auch andernorts im Land lief anfangs vieles schief. Aber nur, weil im ganzen Land gewurschte­lt, gepfuscht, verschlepp­t und teils dreist gelogen wurde, wird ein lokales Versagen nicht besser.

Die nunmehrige Einstellun­g der Ermittlung­en in der Causa Ischgl gegen fünf Beschuldig­te aus Landes- und Bezirksver­waltung sowie aus der Kommunalpo­litik wird sie erneut in ihren Ansichten bestärken. Sie werden sich rühmen, doch alles oder zumindest sehr viel richtig gemacht zu haben.

An dieser Stelle muss man sich vergegenwä­rtigen, was da alles laut Einstellun­gsbegründu­ng „strafrecht­lich nicht fassbar“war, aber von der unabhängig­en Untersuchu­ngskommiss­ion und durch Ermittlung­en festgestel­lt wurde: Warnungen aus dem Ausland wurden mit fadenschei­nigen Gegenthese­n herunterge­spielt, unwahre Informatio­nen verbreitet, das Ignorieren behördlich­er Schließung­en teils achselzuck­end hingenomme­n, Mobilitäts­beschränku­ngen Tage zu spät kundgemach­t.

Nun mag es sehr schwer sein, strafrecht­lich zu beweisen, dass tausende Ansteckung­en eine direkte Folge dessen waren. Viele, die sich mit dem Coronaviru­s infizierte­n, haben nur Vermutunge­n, wo genau sie es aufschnapp­ten. Und die äußerst fragwürdig­e Rolle des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz, der mit der überhastet­en Ausrufung der Quarantäne für ein Ausreisech­aos sorgte, wurde da noch gar nicht beleuchtet.

Klar zu sehen ist aber, dass sich die meisten Entscheidu­ngsträger, die – wissentlic­h oder nicht – viel verbockt haben, stärker denn je an ihre Sessel kleben. Auch das ist strafrecht­lich nicht fassbar, politisch wie menschlich aber unfassbar.

Newspapers in German

Newspapers from Austria