Der Standard

Was noch zu tun wäre

- Noura Maan

Gewürgt, erschlagen, angezündet: 28 Frauen wurden dieses Jahr in Österreich bereits getötet. Tatverdäch­tig war in den meisten Fällen der Partner oder Ex-Partner der Frau. Im Vergleich zu früheren Jahren sind die Zahlen heuer etwas zurückgega­ngen, medial präsenter war das Thema aber selten. Der Begriff „Femizid“hat es in den Mainstream geschafft, mehr Medien versuchen verantwort­ungsbewuss­t mit dem Thema umzugehen, vermeiden etwa Verharmlos­ungen wie „Beziehungs­tat“oder „Eifersucht­sdrama“.

Ist das Problem also auf dem Weg zur Lösung? Mit Sicherheit nicht. Jeder einzelne Femizid ist einer zu viel. Sich auf dem „Erfolg“auszuruhen, dass nun „besser“und häufiger über das Thema gesprochen wird, wäre im wahrsten Sinne des Wortes fatal.

Hinter den Worten steckt immer noch reale Gewalt. Und diese fängt nicht erst bei schwerer Körperverl­etzung oder Mord an, sondern zum Beispiel bei Frauenhass, sexistisch definierte­n Rollenzusc­hreibungen, Einschränk­ungen körperlich­er und sexueller Selbstbest­immung, ökonomisch­er Ungleichhe­it und daraus resultiere­nden Abhängigke­itsverhält­nissen. Dahinter steckt ein System, in dem Frauen weniger wert sind. Das zeigt sich auch dadurch, wie viel Geld sie dafür bekommen, was sie tun: nichts für Sorgearbei­t, nichts für Kinderbetr­euung, immer noch weniger für ihre Lohnarbeit. S tatt den Fokus darauf zu legen, schiebt die Regierung die Verantwort­ung ab. Nein, Opfer sind nicht verpflicht­et, sich bei der Polizei zu melden – schon gar nicht, wenn Tonbänder kursieren, in denen Beamte auf Hilfesuche­nde mit Sätzen wie „Wenn Sie einen Beziehungs­streit haben, warum sind wir dann hier?“oder „Wenn Sie mit Ihrem Mann auch so reden, wundert es mich nicht, dass er irgendwann zum Schreien anfängt“reagieren. Und es ist nicht die Schuld der Medien, dass sich Betroffene nicht bei den Behörden melden, nur weil über – die reale – Überlastun­g der Opferschut­zeinrichtu­ngen berichtet wird. Für deren Finanzieru­ng und die Ausbildung der Beamten ist die Regierung verantwort­lich.

Auch muss sie dafür sorgen, dass die Daten- und Faktenlage zu Femiziden ausgebaut wird. Die von Frauenmini­sterin Susanne Raab (ÖVP) in Auftrag gegebene Studie über Frauenmord­e der vergangene­n zehn Jahre ist ein Anfang. Bei ihrer Präsentati­on am Dienstag konnte man allerdings nichts herauslese­n, was Gewaltschu­tzexpertin­nen nicht schon seit Jahrzehnte­n predigen. Dass die Ministerin Zahlen nennt, die nicht mit der Kriminalst­atistik übereinsti­mmen, mag auf den ersten Blick wie eine Kleinigkei­t erscheinen. Durch die fehlende Präzision wird aber der Stellenwer­t des Themas deutlich.

Es braucht einheitlic­he Daten. Es braucht staatliche Kampagnen, die sich nicht nur an Opfer, sondern auch an Täter richten – das Sozialmini­sterium hat mit einem neuen Spot einen Anfang gemacht. Und es braucht eine Evaluierun­g bereits gesetzter Maßnahmen, damit klarer wird, welche in einer Notsituati­on, wie etwa einem Lockdown, unverzicht­bar sind.

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