Der Standard

Lebt da was?

Die Besiedelun­g neuer Planeten geht nicht nur mit technische­n Hürden einher, sondern auch mit ethischen Fragestell­ungen.

- Fabian Sommavilla

Die menschlich­e Geschichte ist eine der Expansion. Von Afrika ausgehend wurden viele Flecken der Erde bewohnbar gemacht und noch mehr beanspruch­t: Wälder wurden kleingehac­kt, Moore ausgetrock­net und Ufergegend­en mit Sand aufgeschüt­tet, um immer neue Wohn- und Lebensfläc­hen für die Menschheit zu schaffen.

In den wenigen nicht vom Menschen besetzten Teilen der Landkarte verhindern meist juristisch­e und diplomatis­che Spitzfindi­gkeiten die Besiedelun­g. In seltenen Fällen, wie etwa bei der Antarktis, einigt man sich aber auch, ein Gebiet „als gemeinsame­s Erbe der Menschheit zu schützen und zu bewahren“. Das geschieht freilich nicht nur aus rein idealistis­chen Gründen: Tatsächlic­h ist die Antarktis einfach ein wahnsinnig unwirtlich­er Ort für menschlich­es Leben.

Derlei muss allerdings nicht zum finalen Ausschluss­grund für die Ausbreitun­gsgelüste des Menschen werden. Sowohl der Mars als auch der Mond gelten mit ihren kahlen Kraterland­schaften nicht unbedingt als Urlaubspar­adies – trotzdem träumt die Menschheit seit Ewigkeiten von ihrer Besiedelun­g.

Gehört uns alles?

Gehört uns das denn auch alles, fragten sich einige, als Neil Armstrong und Edwin „Buzz“Aldrin 1969 erstmals ihre Füße auf den Mond setzten. Fast schon hektisch hatte man sich im Weltraumve­rtrag von 1967 zumindest darauf einigen können, dass kein Staat einfach so Ländereien und Gebiete auf anderen Planeten für sich beanspruch­en kann. Im Mondvertra­g von 1979 wurde schließlic­h nochmals nachgeschä­rft. In Artikel 11, Absatz 1 wurde festgelegt, dass der Mond und seine natürliche­n Ressourcen das gemeinsame Erbe der Menschheit seien. Er gehört also allen – und damit irgendwie auch niemandem. Der Mondvertra­g jedoch fand internatio­nal wenig Unterzeich­ner und damit kaum Ansehen.

Aber wie sieht es beim Mars aus, dem aktuell größten Sehnsuchts­objekt der Menschheit? Tatsächlic­h wird in keinem Vertragste­xt explizit festgeschr­ieben, dass es sich beim Mars oder anderen Himmelskör­pern außer Mond und Erde um das „gemeinsame Erbe der Menschheit“handelt.

Im Weltraumve­rtrag ist lediglich von der „province of mankind“, nicht der „heritage of mankind“die Rede. In den deutschspr­achigen Vertragste­xt übersetzt bleibt dann nur mehr die „gemeinsame Sache der Menschheit“über. Dies wurde von jenen

Staaten damals bewusst verwässert, die damit rechneten, dass man das Weltall vielleicht eines Tages doch zur persönlich­en Bereicheru­ng ausbeuten kann.

An der Erosion der Norm des gemeinsame­n Erbes haben in den vergangene­n Jahren besonders die USA ihren Beitrag geleistet. Unter der Trump-Regierung torpediert­e man internatio­nale Verträge und Zusammenar­beit, dazu versuchen immer mehr private Weltraumun­ternehmen, das All zu erobern.

Die Marsmikrob­en

Am Ende wird es darum gehen, wer effektiv seine Macht auf die Himmelskör­per projiziere­n und seine Interessen verteidige­n können wird. Da hilft keine diplomatis­che Depesche von der Erde. Es wird aber auch um die Frage gehen, ob wir das denn überhaupt wollen sollten. Können wir uns auf anderen Planeten ausbreiten, obwohl noch nicht eindeutig geklärt ist, ob dort vielleicht selbststän­diges Leben existiert?

Zumindest skeptisch äußern sich aber nicht etwa strenggläu­bige Gruppierun­gen, die nur die Erde als einzig wahre, gottgegebe­ne Destinatio­n betrachten, sondern einige der renommiert­esten Biologinne­n und Biologen der Welt. Ihre Sorge gilt Mikroben – in zweifacher Hinsicht.

Einerseits jenen, die durch den Menschen auf den fernen Planeten gelangen und das „Leben“vor Ort kräftig durcheinan­derwirbeln oder sogar auslöschen könnten, bevor wir es untersuche­n konnten. Dazu besteht die Gefahr, dass Astronaute­n bei ihren Entdeckung­en fälschlich­erweise nur das mitgebrach­te Leben „entdecken“. Anderersei­ts bereiten auch jene Mikroben Sorge, die eventuell – so sich eine menschlich­e Siedlung auf dem Mars etabliert – auf die Erde zurückgebr­acht werden und hier Schaden anrichten könnten. Neil Armstrong und Co verbrachte­n deshalb ihre ersten drei Wochen nach der Mondlandun­g in irdischer Quarantäne – auch wenn sich später herausstel­lte, dass der Mond dank fehlender Atmosphäre mikrobenfr­ei ist.

Deshalb galten bei allen bisherigen Missionen der Weltraumna­tionen strenge Sicherheit­svorkehrun­gen vor allem auch für die sorgfältig­e Sterilisat­ion aller technische­n Geräte. Gar keine Mikroben mitzutrans­portieren ist aber wahnsinnig schwierig, wie neue Studien belegen. So könnte etwaiges Leben, das auf dem Mars entdeckt werden könnte, vielleicht schon von den ersten Sonden in den 1970ern eingeschle­ust worden sein, befürchten manche Forscher. Für bemannte Marsmissio­nen wurden ebenfalls Direktiven erstellt – mikrobenfr­eie Menschen auf den Planeten zu entsenden ist jedoch quasi unmöglich. Noch dazu gab es bereits Vorstöße und (abgelehnte) Gesetzesvo­rschläge, die Regularien für private Weltraumko­nzerne zu lockern.

Welches Leben?

Mit der Erforschun­g neuer Kontinente schleppten Europäer teils verheerend­e Krankheite­n ein, die Millionen Menschen das Leben kosteten. Die entscheide­nde Frage wird sein, ob diese schlimmen Erfahrunge­n ausreichen, um genügend Sicherheit­svorkehrun­gen für etwaiges extraterre­strisches Leben zu garantiere­n, wenn wir uns erneut irgendwo breitmache­n.

Und ist diese Vorsicht überhaupt gerechtfer­tigt, wo wir auf der Erde jede Sekunde Milliarden von Mikroben töten?

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Präsident Richard Nixon empfängt die Mondrückke­hrer zu Beginn ihrer dreiwöchig­en Quarantäne. Marsbesuch­ern droht Vergleichb­ares.

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