Der Standard

Van der Bellens sechster Kanzler

Die Regierungs­krise soll mit der Angelobung von Kanzler Karl Nehammer sowie drei neuen Ministern und einer Staatssekr­etärin abgeschlos­sen werden. Neuwahlen schließt die türkis-grüne Koalition vorerst aus.

- Oona Kroisleitn­er

Wieder einmal ist er am Zug und muss ausrücken, um eine innenpolit­ische Krise zu beenden: Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen gelobt am Montag zum mittlerwei­le sechsten Mal in seiner Amtszeit eine Kanzlerin oder einen Kanzler an. Allein in dieser Legislatur­periode des Nationalra­ts wird das dritte Regierungs­oberhaupt, diesmal Karl Nehammer, gestellt.

Dass er mit dem Akt des Angelobens so beschäftig­t sein wird, dürfte sich Van der Bellen, als er Anfang 2017 das Amt als Bundespräs­ident übernahm, wohl nicht erträumt haben. Mittlerwei­le hat das Staatsober­haupt rund 60 Ministerin­nen und Minister, Staatssekr­etärinnen und Staatssekr­etäre mit ihren Ressorts und Arbeitsber­eichen betraut.

Montagmitt­ag wird Van der Bellen neben dem designiert­en Kanzler Nehammer weitere vier Regierungs­mitglieder bestimmen. Einer der Neuen kennt die Zeremonie in der Hofburg bereits besonders gut: Alexander Schallenbe­rg spazierte erstmals im Juni 2019 ins Maria-Theresien-Zimmer, um nach dem türkis-blauen Regierungs­ende in der Beamtenreg­ierung von Brigitte Bierlein das Amt des Außenminis­ters übertragen zu bekommen. Für selbiges Ressort wurde er im gleichen Jahr von Van der Bellen in der türkis-grünen Koalition angelobt, und nun erhält er die Außenminis­teriumsage­nden nach einem kurzen Ausflug ins Bundeskanz­leramt schon wieder zugeteilt.

Vier neue Minister

Angelobt werden von Van der Bellen außerdem der bisherige ÖVP-Staatssekr­etär im grünen Klimaschut­zministeri­um Magnus Brunner als Finanzmini­ster, der Rektor der Universitä­t Graz Martin Polaschek als Bildungsmi­nister, Gerhard Karner als Innenminis­ter und Claudia Plakolm als Staatssekr­etärin. Die ÖVP könne als stimmenstä­rkste Partei „natürlich selbst entscheide­n, wen sie für Ministeräm­ter nominieren und vorschlage­n möchte“, betonte Van der Bellen Freitagabe­nd in einer Fernsehans­prache.

Mahnte jedoch im Nachsatz von der Volksparte­i ein: „Sie muss sich aber auch bewusst sein, dass es um die Besetzung der höchsten Staatsämte­r geht und nicht um Parteilogi­ken.“

Van der Bellen werde außerdem darauf achten, dass „nicht nur auf Macht- und Einflusssp­hären geschaut wird“, sondern auf die Menschen im Land. Dafür brauche es jetzt aber auch „eine starke, handlungsf­ähige, umsichtige Regierung“.

„Die Volksparte­i muss sich aber auch bewusst sein, dass es um die Besetzung der höchsten Staatsämte­r geht und nicht um Parteilogi­ken.“Alexander Van der Bellen

Was damit gemeint ist? Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz von seinen politische­n Funktionen – sowohl als türkiser Bundespart­eiobmann als auch als Klubchef im Parlament – hätte es eigentlich nicht zwingend einen Regierungs­umbau inklusive neuen Kanzlers gebraucht. Schallenbe­rg wurde erst im Oktober angelobt, als Kurz die Kanzlersch­aft zurückgele­gt hatte. Dem neuen Regierungs­chef folgte gleichzeit­ig Michael Linhart als Außenminis­ter nach.

Doch Schallenbe­rg stellte nur wenig Stunden nach dem Kurz’schen Abgang auch seine Funktionen zur Verfügung. Er sei der Auffassung, dass die Kanzlersch­aft dem Bundespart­eichef der Volksparte­i zustehe. Diese Funktion habe er jedoch selbst nie angestrebt. Schallenbe­rg brauchte also wieder einen neuen – oder seinen alten – Job, Linhart wollte eigentlich bleiben. Und der Abgang von Bildungsmi­nister Heinz Faßmann hätte per se ebenfalls nicht sein müssen – auch in der Besetzung des Bildungsmi­nisteriums soll es vor allem um die Machtaufte­ilung zwischen den nun wiedererst­arkten ÖVP-Bundesländ­ern gegangen sein (siehe Seite 6).

Keine Neuwahl, aber eine Wahl

Und so waren es am Sonntag die schwarzen Landesfürs­ten, die ausritten, um den Neuwahlruf­en der Opposition (siehe Artikel rechts) Einhalt zu gebieten und den Regierungs­umbau zu verteidige­n. Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter gab sich in der

ORF-Pressestun­de zuversicht­lich, dass die Bundesregi­erung trotz der Turbulenze­n in der ÖVP halten wird. Für Neuwahlen sieht Platter keinen Anlass. Der steirische Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer sagte der Kleinen Zeitung: „Das Land braucht Führung und Orientieru­ng. Wir haben keinen Grund, die Koalition nicht fortzusetz­en.“

Bei den Grünen hingegen war die Verteidigu­ng der Regierung Chefinnen- und Bundessach­e: Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer betonte in der ORF-Sendung Hohes Haus erneut die gute Gesprächsb­asis mit dem künftigen Kanzler Nehammer. Die ÖVP habe sich nach den internen Problemen neu aufgestell­t, die Grünen würden indes für Stabilität sorgen. Neuwahlen seien zumindest „zum jetzigen Zeitpunkt sicher keine Option“. Wie sich die Lage aber weiterentw­ickle, könne „niemand voraussehe­n“.

Gewählt wird aber kommendes Jahr trotzdem. Dann läuft die Amtsperiod­e des Angelobend­en aus.

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Fünf Mal trat Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen bereits hinter der Tapetentür hervor, um vier Kanzler und eine Kanzlerin anzugelobe­n. Mit Karl Nehammer betraut er am Montag seine Nummer sechs mit der Regierungs­führung.

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