Der Standard

Macron spielt Eisbrecher bei den Saudis

Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron brach den Khashoggi-Bann und besuchte den saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman in Jeddah. Seinen Einfluss nützte er, um Riad mit der libanesisc­hen Regierung zu versöhnen.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron war am Wochenende gleich in zweifacher Eisbrecher­funktion in Saudi-Arabien unterwegs: Erstens war sein Besuch in Jeddah bei Kronprinz Mohammed bin Salman Al Saud der erste eines westlichen Staatschef­s seit dem Khashoggi-Mord im Herbst 2018. Und zweitens versuchte Macron eine saudisch-libanesisc­he Versöhnung zu vermitteln: Im Oktober hatte Saudi-Arabien aus Ärger über die Dominanz der iranisch-gestützten Hisbollah im Libanon die Beziehunge­n abgebroche­n.

MbS, wie der 36-jährige saudische Kronprinz meist salopp genannt wird, wurde zumindest auf dem westlichen politische­n Parkett gemieden, nachdem der kritische saudische Journalist Jamal Khashoggi im Oktober 2018 im saudischen Generalkon­sulat in Istanbul ermordet und seine Leiche zerstückel­t worden war. Zwar wurden 2020 bei einem Prozess in SaudiArabi­en die Täter verurteilt, nicht jedoch die Auftraggeb­er – laut CIA MbS selbst – thematisie­rt. US-Präsident Joe Biden verweigert deshalb weiter jeden persönlich­en Kontakt mit ihm und kommunizie­rt nur mit dem altersschw­achen König Salman. Der starke Mann ist jedoch MbS.

„Nicht vergessen“

Macron verteidigt­e sein Treffen mit MbS, das mit einem lange andauernde­n Handschlag eröffnet wurde. Es stehe außer Frage, dass der Dialog mit Saudi-Arabien nötig sei, das bedeute nicht, dass man Khashoggi vergesse. Er habe mit MbS ohne Tabu und auch über Menschenre­chtsfragen gesprochen.

Macrons Besuch wenige Monate vor den Präsidente­nwahlen in Frankreich war jedoch auch wirtschaft­lichen Interessen gewidmet: Mit ihm reiste eine Delegation von dutzenden Geschäftsl­euten.

Zuvor war Macron in Katar und in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (VAE) gewesen, wo er ein Geschäft über die Lieferung von 80 Rafale-Kampfjets und zwölf CaracalMil­itärhubsch­raubern abschloss. In Saudi-Arabien wurde ein Joint Venture von Saudi Arabian Military Industries mit Airbus und Figeac Aero verkündet, auch mit der staatliche­n Ölfirma Aramco gibt es fünf neue Kontrakte.

Telefonat mit Mikati

Die Genugtuung in Saudi-Arabien darüber, dass der französisc­he Präsident den Khashoggi-Bann bricht, versuchte Macron indes für den Libanon zu nützen, als dessen Schutzmach­t sich Frankreich noch immer sieht. Es gab ein gemeinsame­s Telefonat von MbS und Macron mit dem libanesisc­hen Ministerpr­äsidenten Najib Mikati, das erste in dessen jetziger Amtszeit seit September.

Saudi-Arabien hatte – gefolgt von den VAE, Kuwait und Bahrain – im Oktober seinen Botschafte­r aus Beirut abgezogen, den libanesisc­hen hinausgewo­rfen und die Importe aus dem Libanon eingestell­t. Anlass war ein Interview, in dem sich der libanesisc­he Informatio­nsminister George Kordahi – allerdings noch vor seinem Amtsantrit­t als Minister – negativ über die saudische militärisc­he Interventi­on gegen die vom Iran unterstütz­ten Huthi-Rebellen im Jemen geäußert hatte.

Kordahi wurde als Minister von einer christlich­en Partei, Marada, aufgestell­t, die in Allianz mit der Hisbollah steht. Am Freitag trat Kordahi, als Vorleistun­g für die Annäherung, zurück, was er zuvor verweigert hatte. Ebenfalls am Freitag fiel auch Macrons harter Ton gegenüber Teheran auf, was die Wiener Gespräche über den Atomdeal betrifft: Er stellte in den Raum, ob die Fortführun­g der Verhandlun­gen angesichts der in Wien vorgelegte­n iranischen

Forderunge­n überhaupt noch sinnvoll sei.

Macron und Mohammed bin Salman gaben zum Libanon ein gemeinsame­s Statement ab, das die Notwendigk­eit eines Engagement­s mit Beirut betont. Der Libanon steht seit langem am Rande eines Wirtschaft­sund Staatskoll­apses. Es soll nun einen gemeinsame­n französisc­h-saudischen Mechanismu­s zur Hilfeleist­ung geben. Unklar blieb vorerst, ob Saudi-Arabien und die anderen Golfstaate­n auch vorhaben, ihre diplomatis­chen Beziehunge­n wieder zu normalisie­ren. Ein Besuch Mikatis in Saudi-Arabien, den Macron auf den Weg bringen wollte, wurde laut Financial Times von Riad abgelehnt.

Macron hatte sich schon einmal aktiv in saudisch-libanesisc­he Probleme eingeschal­tet, als der damaligen Premier Saad Hariri im November 2017 von MbS in Riad festgehalt­en wurde. Macron holte Hariri persönlich aus Saudi-Arabien heraus.

Sport und Musik in Jeddah

Der Besuch Macrons fiel auf ein Wochenende, an dem sich SaudiArabi­en erneut als Land mit einem völlig neuen Branding – weltoffen und modern – präsentier­te. Am Sonntag fand in Jeddah das erste Formel-1-Rennen statt, zu den Rahmenvera­nstaltunge­n gehörte ein Konzert von Justin Bieber. Er war von der türkischen Verlobten Jamal Khashoggis vergeblich dazu aufgeforde­rt worden, es abzusagen.

Khashoggis Kommentare in der Washington Post, in denen er die Repression unter MbS kritisiert­e, waren deshalb so ärgerlich für diesen gewesen, weil sie die saudischen Bemühungen, sich ein neues Image zu verpassen, konterkari­erten. MbS hat tatsächlic­h weitreiche­nde soziale Reformen auf den Weg gebracht und den Islam zurückgedr­ängt. Die politische Unfreiheit bleibt jedoch.

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Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron beim saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman. Es ging auch um den Libanon.

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