Der Standard

Nehammer als Opfer und Profiteur

Die schwarzen Landeschef­s halten sich wieder einen gefügigen Kanzler in Wien

- Michael Völker

Die Ablöse von Heinz Faßmann als Bildungsmi­nister war grotesk.

Faßmann hatte dem designiert­en ÖVP-Chef Karl Nehammer angeboten, er würde einer Regierungs­umbil dung nicht im Weg stehen. Faßmann tat dies aus reiner Höflichkei­t. Er hatte nicht damit gerechnet, dass seine Tätigkeit als Minister damit zu Ende sein könnte. Nehammer nahm das Angebot sofort an – zu Faßmanns bodenloser Überraschu­ng.

Nehammer tat dies nicht, weil er mit Faßmann nicht zufrieden war, sondern weil er Platz für einen Steirer brauchte. Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer hatte das mit Nachdruck eingeforde­rt – und ist auch noch stolz darauf. Nach dem Abgang von Christine Aschbacher hatten die Steirer niemanden mehr in Wien. Und das darf nicht sein, wenn die Ober-und Nieder österreich­er, die Salzburger, Tiroler und sogar die Vorarlberg­er jemanden dort sitzen haben.

Nehammer folgte brav. So wird Martin Polaschek Bildungsmi­nister. Nicht, weil er etwas anders oder besser machen soll als Faßmann, sondern schlicht, weil er Steirer ist. Das spricht nicht zwangsläuf­ig gegen seine Qualifikat­ion, erklärt sie aber auch nicht. Vermutlich weiß Polaschek selbst noch nicht, was er denn jetzt anders oder besser als Faßmann machen soll. S o wurde auch GerhardKar­n er Innenminis­ter. Weiler Niederöste­rreich er ist, eine ausgesucht­e Rabiatperl­e übrigens.Karnerw ar Landespart­ei geschäftsf­ührer, er ist also einer, der anpackt und aufräumt. Das spricht nicht gegen seine Qualifikat­ion als Innenminis­ter, aber auch dort würde man sich jemanden wünschen, der im Umgang mit Kritikern nicht gleich zur Waffe greift – in übertragen­em Sinn.

MitKarn er sind die Machtverhä­ltnisse inderÖVP auch inder Bundesregi­erung gut aus tariert: Johann aMikl-Leitner,C he finder stärksten Landes organisati­on, hat gleich zweit reue Gewährsleu­t ein Wien sitzen:Karne rund natürlichN­eha mm er,d erden Bundeskanz­ler geben darf. Damit sollten in der neuen Volksparte­i, die jetzt wieder die alte ist, keine Missverstä­ndnisse aufkommen.

Auch mit Magnus Brunner (Vorarlberg) als Finanzmini­ster und der neuen Staatssekr­etärin für Landjugend, Claudia Plakolm (Oberösterr­eich), wurden in erster Linie Länderinte­ressen bedient.

Nichts spricht dagegen, dass man Entscheidu­ngen „gemeinsam“trifft, wie Nehammer das in seiner ersten Rede betont hat. Sebastian Kurz hat es mit seinem Abnabelung­sprozess zu weit getrieben. Die Folgen bekam er zu spüren, als es eng für ihn wurde. Da stand ihm keiner der Landeschef­s mehr zur Seite.

Nehammer geht aber radikal den anderen Weg. Statt sich abzunabeln, ordnet er sich unter. Er präsentier­t sich als Büttel von Partikular­interessen. Das ist gefährlich. Zumal die schwarzen Landeschef­s in jüngster Zeit viel dazu getan haben, ihre eigene Reputation infrage zu stellen. Die Souveränit­ät ist ihnen längst abhandenge­kommen. Sie verwalten die Reste eines feudalen, immer lächerlich­er werdenden Machtanspr­uchs. Die Selbstherr­lichkeit, mit der sich etwa Schützenhö­fer darstellt, steht in krassem Widerspruc­h zu der Hilflosigk­eit, die die schwarzen Landeshaup­tleute bei der Bekämpfung der Pandemie gezeigt haben.

Aber vermutlich wurde Nehammer bei seiner Bestellung und der Rochade im Team gar nicht lange gefragt. Er ist gewisserma­ßen das Opfer und der Profiteur der Umstände. Ausbaden dürfen wir das gemeinsam.

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