Der Standard

Uneinigkei­t bei Whistleblo­wer-Gesetz

In einem Vorentwurf des Arbeitsmin­isteriums sind noch zentrale Fragen offen. Unklar ist etwa, ob das Korruption­sstrafrech­t erfasst wird und ob Unternehme­n anonyme Meldungen prüfen müssen.

- Jakob Pflügl

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Bald wird das Arbeitsmin­isterium einen ersten Entwurf für das Whistleblo­wer-Gesetz vorlegen. Dass die EU-Vorgaben zum Schutz von Menschen, die Missstände aufdecken, noch fristgerec­ht in österreich­isches Recht gegossen werden, kann man aber schon zum jetzigen Zeitpunkt ausschließ­en.

Eigentlich hätte die Richtlinie bis 17. Dezember umgesetzt werden müssen. Österreich befindet sich allerdings im Verzug – und damit in bester Gesellscha­ft: Fast alle EU-Staaten – mit Ausnahme von Schweden und Dänemark – werden die Frist nicht einhalten. Grund für die Verzögerun­gen Österreich­s dürften politische Unstimmigk­eiten sein. In einem Arbeitsent­wurf, der dem Standard vorliegt, sind zentrale Punkte der Reform noch offen.

Die Richtlinie der EU soll einheitlic­he Schutzstan­dards für Whistleblo­wer schaffen. Behörden und Unternehme­n mit mehr als 250 Mitarbeite­rn müssen künftig Meldekanäl­e für Whistleblo­wer einrichten.

Unternehme­n ab 50 Mitarbeite­rn sollen zu einem späteren Zeitpunkt folgen. Whistleblo­wer werden durch die Richtlinie umfassend vor rechtliche­n Konsequenz­en geschützt – etwa vor Kündigung, Gehaltskür­zung oder Schadeners­atz.

Strittige Punkte

Der Vorentwurf zur Umsetzung der EU-Vorgaben ist zwar bereits weit fortgeschr­itten, in einigen wenigen, zentralen Punkte dürfte aber noch Uneinigkei­t zwischen den Verhandler­n herrschen. So soll das Gesetz etwa bei Verstößen gegen Vergaberec­ht, Umweltschu­tz und Datenschut­z greifen. Unklar bleibt allerdings, ob die Regelung auch für das Korruption­sstrafrech­t gelten wird. Eine europarech­tliche Verpflicht­ung gäbe es dazu nicht.

Zudem ist offen, ob Unternehme­n anonymen Meldungen nachgehen müssen. Die Identität von Whistleblo­wern wird zwar von den Meldestell­en geheim gehalten, viele fühlen sich unter dem Schutz der absoluten Anonymität aber sicherer. „Wenn die Hemmschwel­le zu hoch ist, weil der Name angegeben werden muss, werden sich viele potenziell­e Hinweisgeb­er gar nicht erst melden“, sagt Rechtsanwa­lt Peter Wagesreite­r.

Ähnlich formuliert es eine andere, mit der Materie vertraute Person: „Besteht keine Pflicht, anonymen Meldungen nachzugehe­n, dann ist das wirklich eine verpasste Chance.“Die Anonymität sei bei der praktische­n Anwendung des Gesetzes entscheide­nd.

Laut dem Entwurf sind Whistleblo­wer dann geschützt, wenn sie davon ausgehen können, dass die von ihnen gegebenen Hinweise wahr sind. Nur „offenkundi­g falsche“oder „irreführen­de“Meldungen sind verboten. Hinweisgeb­er sollen sich zunächst an die Meldestell­e im eigenen Unternehme­n wenden. Ist das nicht zumutbar, können sie auf einen externen Meldekanal zurückgrei­fen. In Ausnahmefä­llen dürfen Whistleblo­wer ihre Hinweise auch direkt an Medien schicken – etwa dann, wenn die Gefahr besteht, dass Beweise unterdrück­t werden oder eine „Notsituati­on“vorliegt.

Setzt das Unternehme­n Vergeltung­shandlunge­n wie Kündigunge­n, Gehaltsred­uktionen oder Disziplina­rmaßnahmen, drohen Geldstrafe­n bis zu 20.000 Euro, im Wiederholu­ngsfall bis zu 40.000 Euro. Schutz besteht auch im Fall von Mobbing, Diskrimini­erung oder Rufschädig­ung. Strafen soll es auch dann geben, wenn Whistleblo­wer behindert oder unter Druck gesetzt werden. Hinweisgeb­ern selbst drohen Konsequenz­en, wenn sie „wissentlic­h falsche oder irreführen­de“Meldungen erstatten.

Mindestvor­gaben erfüllt

Bleibt das Korruption­sstrafrech­t ausgeklamm­ert und müssten anonyme Meldungen nicht geprüft werden, würde Österreich nur die Mindestvor­gaben der EU-Richtlinie umsetzen. Wann der endgültige Gesetzesen­twurf präsentier­t wird, will man im Arbeitsmin­isterium noch nicht sagen. Dass das Gesetz wie geplant mit Beginn des nächsten Jahres in Kraft tritt, ist aufgrund der Begutachtu­ngsfristen aber praktisch ausgeschlo­ssen.

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Menschen, die Missstände aufdecken, werden künftig geschützt. Österreich befindet sich bei der Umsetzung der EU-Vorgaben aber im Verzug.

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