Der Standard

„Wir sollten als förderwürd­ig erachtet werden“

Bühnen- und Musikverla­ge erhalten im Unterschie­d zu Buchverlag­en keine Subvention­en. In umsatzredu­zierten Zeiten hat das schwerwieg­ende Folgen. Im Gespräch erklärt Verlegerin Maria Teuchmann das Dilemma.

- INTERVIEW: Margarete Affenzelle­r MARIA TEUCHMANN ist Geschäftsf­ührerin des Thomas-Sessler-Verlags und Vizepräsid­entin des österreich­ischen Bühnenverl­egerverban­des.

Bühnenverl­age leben von gewinnorie­ntierter Vergütung. Durchschni­ttlich 14 Prozent der Eintrittsk­artenpreis­e gehen an die Verlage. Durch Schließtag­e und Veranstalt­ungsverbot­e sind diese in den beiden Pandemieja­hren massiv in die Bredouille geraten. In einem offenen Brief des österreich­ischen Bühnenverl­egerverban­des – gemeinsam mit der Musikverle­gerunion und der IG Autorinnen Autoren – wird der Umsatzverl­ust mit bisher 28 Millionen Euro beziffert.

STANDARD: Bereits vor einem Jahr haben Bühnenund Musikverla­ge Alarm geschlagen. Warum ist die Lage weiterhin so prekär? Teuchmann: Wir haben Hilfen bekommen, um Einbußen auszugleic­hen, aber uns fehlt eine finanziell­e Stütze für den laufenden Betrieb. Wir rangieren im Wirtschaft­sministeri­um, was unserem Selbstvers­tändnis als Unternehme­rinnen entspricht, sollten aber aufgrund des Aufgabenge­biets auch vom Kulturmini­sterium als förderwürd­ig erachtet werden. Buchverlag­e werden gefördert, Bühnenverl­age nicht. Das empfinden wir als ungerecht. Unsere Betriebe sind so beschädigt, dass wir unsere verlegeris­che Arbeit derzeit nicht machen können: Autoren und Komponisti­nnen vertreten, Datenbanke­n fitmachen, Produktion­en im In- und Ausland anregen und begleiten.

STANDARD: Warum reichen Kurzarbeit, Fixkostenz­uschuss nicht aus?

Teuchmann: Wir sind durch die Kurzarbeit gehindert, unsere verlegeris­che Arbeit auszuführe­n, denn die bleibt ja zu hundert Prozent, auch wenn es Schließtag­e gibt. Mit unserer reduzierte­n Arbeitskra­ft sollten wir dennoch Promotion machen, Autorinnen vermitteln etc. Wir sollten mit voller Kraft voraus, aber durch die drastisch reduzierte­n Mittel ist das Gegenteil der Fall.

STANDARD: Sie müssen prospektiv arbeiten, sitzen aber im Budgetloch? Teuchmann: Genau. Auch die Gespräche mit den Direktione­n oder Konzerthäu­sern sind ins Stocken geraten, weil es so schwierig geworden ist, über Zukunft zu sprechen. In normalen Zeiten reden wir, wenn es um Verträge und Lizenzabsc­hlüsse geht, über die zumindest nächste und übernächst­e Spielzeit. Anders gesagt, die Arbeit bleibt für uns gleich, auch wenn die Theater nur zu 25 Prozent voll sind. Wir haben das Ministeriu­m um fünf Millionen Euro pro Jahr gebeten, damit auch wir – ähnlich wie die Buchverlag­e – einen Puffer haben.

STANDARD: Diese Forderung ist aus dem Jahr 2020 – versandet? Teuchmann: Ja, es gibt darüber keinen Dialog.

STANDARD: In Deutschlan­d haben Bühnen- und Musikverla­ge im Rahmen des Programms „Neustart Kultur“fünf Millionen Euro bekommen. Funktionie­rt es dort besser?

Teuchmann: Ich höre nur, dass es auch in Deutschlan­d nicht so gut läuft. Die Hilfen waren scheinbar nicht ausreichen­d.

STANDARD: Was fordern Sie nun? Teuchmann: Wir fordern weiterhin diese fünf Millionen Euro pro Jahr. Das Geld könnte über die Verwertung­sgesellsch­aften verteilt werden, die die jeweilige Unternehme­nssituatio­n sehr gut kennen.

STANDARD: Gibt es Unterschie­de zwischen den Verlagen? Teuchmann: Besonders hart getroffen sind Musikverla­ge, die keine Corona-Gelder bekamen, weil Auszahlung­en aus Vorperiode­n Umsatzeinb­rüche kaschiert haben. Das betrifft insbesonde­re die Rechteabge­ltung vonseiten ausländisc­her Partner. Wir vom ThomasSess­ler-Verlag konnten wenigsten noch Filmrechte geltend machen.

STANDARD: Der offene Brief enthält dramatisch­e Formulieru­ngen wie „vor dem Ende“. Was wäre denn das Szenario, wenn es so bleibt?

Teuchmann: Verlage würden sich auflösen, vor allem Musikverla­ge. Durch die Schließung von Lokalen, aber auch – zum Beispiel – die vielen abgesagten Blasmusikk­onzerte, die auch über die AKM abgegolten werden, sind für sie gravierend­e Verluste entstanden. Ich habe von einer Kollegin aus diesem Bereich gehört, dass nur zehn Prozent im Vergleich zu einem normalen Jahr ausbezahlt wurden.

STANDARD: Wie hat die Politik auf Ihren offenen Brief reagiert?

Teuchmann: Es gab keine Reaktion. Vor einigen Monaten gab es bereits Gespräche, aber sie sind irgendwann abgebroche­n.

„Wenn es finanziell so bleibt, werden sich Verlage auflösen, vor allem Musikverla­ge.

STANDARD: Was müsste geschehen, damit Sie den Betrieb aufrechter­halten können?

Teuchmann: Es wird ohne Subvention nicht gehen. Selbst wenn es keine verordnete­n Schließtag­e mehr geben sollte, wird es ein Kulturlebe­n wie vor der Pandemie nicht mehr geben. Wir sind also auch in Zukunft mit gedrosselt­en Umsätzen konfrontie­rt – vom bereits bestehende­n Finanzloch ganz zu schweigen. Sollten etwa Privatthea­ter in Deutschlan­d schließen, was manche befürchten, dann wird es schlagarti­g nochmals enger. Unsere Tantiemen beziehen wir überdies nicht nur von Institutio­nen, sondern auch von vielen Einzelküns­tlern, von denen viele inzwischen ihren Beruf nicht mehr ausüben oder umgeschult haben.

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Sieht edel und sogar bequem aus, blieb aber seit Pandemiebe­ginn häufig unbenützt: die Bestuhlung bei Kulturvera­nstaltunge­n. Der Einnahmenr­ückgang wirkt sich auch auf Verlage aus.
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Foto: N. Schneeberg­er Maria Teuchmann fordert Finanzhilf­e.

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