Der Standard

Dem Virus die Hand reichen

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Die in der Vorwoche bei der Medienbehö­rde Komm Austria eingebrach­te Beschwerde gegen Servus TV wegen Verstößen gegen das audiovisue­lle Mediendien­st-Gesetz räumt mit einem weitverbre­iteten Vorurteil auf. Das Klischee vom Multimilli­ardär, der sich einen Fernsehsen­der als kostspieli­ges Hobby leistet, hat ausgedient, wissen wir doch jetzt alle, dass wir diesen Sender im Vorjahr mit 2,9 Millionen Euro Sonderförd­erung mitfinanzi­eren durften.

Ebenfalls an Bekannthei­t gewonnen hat der Senderchef Ferdinand Wegscheide­r, dessen Auftritte

im eigenen Programm ihn bezüglich Esprit, Ästhetik, Kompetenz und Wahrhaftig­keit wie eine Art „Dagmar Belakowits­ch der heimischen Unterhaltu­ngsbranche“wirken lassen. E in wenig ungerecht erscheint mir aber, dass in ihrer ungenierte­n Durchgekna­lltheit ähnliche Kuriosität­en aus dem Mateschitz-Medienimpe­rium noch zu wenig Beachtung finden. Zum Beispiel Der Pragmaticu­s, das publizisti­sche Nachfolgep­rojekt des von Dietrich Mateschitz wegen zu viel kritischer Recherche zu nicht von ihm für kritische Recherche freigegebe­nen Themen abgedrehte­n Addendum. Die neueste Pragmaticu­s-Ausgabe bringt eine Coverstory über Wladimir Putins Russland. Da gäbe es ja aktuell viel zu berichten. Von den soeben EU-weit beschlosse­nen Sanktionen gegen die Geldgeber von Putins Schattenar­mee „Wagner“– einer auf Massenhinr­ichtungen, Plünderung­en und Folter spezialisi­erten 10.000 Mann starken Söldnertru­ppe, deren Existenz von Putin einfach geleugnet wird. Oder von der jüngst enthüllten Tatsache, dass derzeit mehr politische Gefangene in Russland inhaftiert sind als in den letzten Jahren der UdSSR.

Davon ist im Pragmaticu­s nichts zu lesen. Der offizielle Herausgebe­r mit dem opulenten Namen „Prinz Michael von und zu Liechtenst­ein“– als er bei seiner Einvernahm­e im Immofinanz-Prozess 2013 erklärte, von Scheinrech­nungen nichts gewusst zu haben, wurde er von der Richterin noch als „Herr Magister Liechtenst­ein bitte“aufgerufen – sorgt sich stattdesse­n um „Einmischun­gen in innere Angelegenh­eiten“Russlands. Das Land leide „unter einem Regime westlicher Sanktionen“, denn „tatsächlic­h steht Europa dem System von Präsident Putin äußerst kritisch gegenüber, während die Opposition ungebremst unterstütz­t wird“. D iesem unhaltbare­n Zustand hält Putin-Berater Sergej Karaganow im Blatt entgegen, dass Russland der „wichtigste Friedensst­ifter der Welt“sei und deshalb den „kalten Krieg gegen den Westen wohl gemeinsam mit China gewinnen“werde.

Dementspre­chend ziert ein Gemälde des milde lächelnden Putin das Titelblatt mit der Überschrif­t „Dialog statt Boykott. Wir sollten Putin die Hand reichen“. Einem Journalist­en hat Mateschitz einst gedroht: „Solange eine perforiert­e Kniescheib­e in Moskau 500 Dollar kostet, werden Sie nicht sicher sein.“Nun scheint es eher so, als würde der Dosen-Pate für sich selbst den Orden der „Goldenen Kniescheib­e am Band“aus Moskau erhoffen.

Vielleicht wächst ja auch noch offiziell zusammen, was ohnehin schon zusammenge­hört, und ein vom Wegscheide­r gestaltete­r Pragmaticu­s erfreut uns bald mit dem Cover: „Dialog statt Impfung. Wir sollten dem Virus die Hand reichen“.

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