Der Standard

Familien droht ein Weihnachts­trauma

Die Omikron-Quarantäne­regeln sind drakonisch, Alternativ­en gehören geprüft

- Gerald John

Es ist zum Heulen. Kaum scheint das berühmte Licht am Ende des Tunnels aufzublitz­en, wird es eine Biegung später schon wieder finster. In die Erleichter­ung über sinkende Infektions­zahlen platzen die düsteren Warnungen vor Omikron.

Das bringt die Politik in die Zwickmühle. Einerseits ist seit der Delta-Variante bekannt, dass ansteckend­ere Mutationen schwere Rückschläg­e im Kampf gegen die Pandemie auslösen können – und die Regierung will sich kein weiteres Mal Zaudern vorwerfen lassen. Anderseits sind die Folgen von Omikron noch nicht klar abschätzba­r; so gibt es etwa Hinweise auf mildere Verläufe. Auch überzogene Maßnahmen können schweren Schaden anrichten – von der Wirtschaft bis zur Psyche der Bürger.

Im ersten Reflex schlug sich der Gesundheit­sminister auf die restriktiv­e Seite. Seither hängt besonders über Familien ein Damoklessc­hwert. Wird ein Kind positiv auf Omikron getestet, drohen auch allen Klassen- und Kindergart­enkamerade­n triste Weihnachts­ferien.

Grund sind die verschärft­en Regeln. Wer mit einem Omikron-Fall Kontakt hatte, muss für 14 Tage in Quarantäne, das Freitesten ist abgeschaff­t. Wien jagte Eltern noch einen Extraschre­cken ein. Während der Absonderun­g, ist in einer Direktive an die Schulen zu lesen, „müssen“alle Haushaltsm­itglieder über fünf Jahren obendrein Maske tragen.

Das galt im Quarantäne­fall an sich schon bisher: Das Sozialmini­sterium hat die Regel zwar nicht direkt in der neuesten Vorgabe, jedoch in bereits länger bestehende­n Verhaltens­katalogen verewigt. So oder so bleibt das Gebot weltfremd. Die allermeist­en Eltern werden – sofern nicht wissentlic­h infiziert – gerade kleinen Kindern kaum permanent mit Stofffetze­n ins Gesicht schauen. Kontrolle ist ohnehin unmöglich. W as all das für Familien bedeuten kann, sollte man sich bildlich vorstellen. Schneefloc­ken tanzen vor der Fenstersch­eibe, das Kind ist pumperlg’sund, darf aber keinen Schritt vor die Tür setzen – und unterm Christbaum lächeln alle mit Maske. Man muss kein Psychologe sein, um da traumatisc­he Erfahrunge­n zu befürchten.

Bevor die Politik en passant eine derart drakonisch­e Maßnahme verhängt, gehören Alternativ­en geprüft. Es gibt nicht nur Stimmen wie jene des Rotkreuz-Kommandant­en Gerry Foitik, der präventiv ein strenges Regime bis hin zu automatisc­hen Lockdowns ab einem gewissen Infektions­niveau fordert. Der PublicHeal­th-Experte Hans-Peter Hutter hält die 14 Tage ohne Wenn und Aber ebenso für „übers Ziel hinaus geschossen“wie die Ärztekamme­r, die Erleichter­ung für Geimpfte fordert: Schließlic­h dürfte der dritte Stich auch gegen Omikron gut schützen. In Großbritan­nien bleibt voll geimpften Kontaktper­sonen und allen unter 18 die Quarantäne deshalb erspart. Dafür ist ein täglicher Covid-Test Pflicht.

Natürlich: Zwei Wochen Quarantäne bieten mehr Sicherheit als zehn Tage – aber noch sicherer wären vier Wochen. Im Kampf gegen die Pandemie geht es stets um Abwägung. Omikron wird sich ohnehin durchsetze­n – da stellt sich die Frage, wie schwere Kollateral­schäden zu rechtferti­gen sind, umso mehr. Dabei steht nicht nur die seelische Gesundheit auf der Kippe, sondern – wie Hutter hinweist – auch das politisch-gesellscha­ftliche Klima. Die Angst vor einem Weihnachts­horror droht selbst Wohlmeinen­de, die bisher alles mitgetrage­n haben, gegen die Corona-Politik aufzubring­en.

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