Der Standard

„Plätzchend­uft liegt in der Luft“

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Als vor einer Woche Sepp Forcher verstarb, wurde er zu Recht im ganzen Land für sein Lebenswerk gewürdigt. Bei manchen Nachrufsch­reibern kann ich mir allerdings schwer vorstellen, dass sie auch nur eine Sendung Klingendes Österreich bis zum Ende geschaut haben. Selbst ich, der vor einer Bergkuliss­e aufgewachs­en ist, wie sie Forcher über Jahrzehnte als Bühne diente, fand seine Sendungen als Kind langweilig. Bewunderns­wert an Forcher finde ich heute, dass er neben den Skirennfah­rern einer der wenigen war, die im Fernsehen offen Dialekt sprachen. Letztere werden dafür leider manchmal belächelt, Forcher wurde ernst genommen.

In meiner Jugend hatte Dialekt für mich etwas Defizitäre­s, die Hochsprach­e galt als Ausdruck von Weltgewand­theit. Jetzt nehme ich meine Dialektide­ntität als Bereicheru­ng wahr. Auf jeden Fall rede ich heute selbstbewu­sst im Dialekt, und ich spüre, dass er mir eine andere Wärme, einen anderen Wortwitz und eine andere Schlagfert­igkeit ermöglicht.

Auch in Gesprächen mit meiner hochdeutsc­h sozialisie­rten Frau drifte ich zunehmend in den Dialekt ab, was aber manchmal zu Verwirrung­en führt. Kompliment­e werden als Beschimpfu­ngen

aufgefasst, und manche Verkürzung­en führen zu ungewollte­n Interpreta­tionen. Ich habe auf jeden Fall vollstes Verständni­s für die Komplikati­onen von „bi-kulturelle­n“Ehen.

Ich hatte mit unserem Umzug aufs Land gehofft, dass die Kinder auch die Dialektspr­ache annehmen würden, was aber nicht der Fall ist, weil das Landleben eben nicht so läuft wie Klingendes Österreich. Wenn, dann klingen sie eher wie Piefke. Nicht nur, weil sie „Tschüss“sagen. Das scheint in weiten Teilen Österreich­s zur standardis­ierten Abschiedsf­ormel mutiert zu sein. Wie das kam, kann ich nicht nachvollzi­ehen, am Tourismus kann es nicht liegen. Ich hätte als Gästepensi­onskind von meinen Eltern eine verbale „Fotzn“gefangen, hätte ich mich auf dem Weg in die Schule oder zum Skilift mit „Tschüss“verabschie­det.

Meine Kinder haben keine Urlaubsgäs­te im Haus, für sie sind Deutsche Vorbilder oder gar Helden. Diese heißen Benson und Elina, Hanni und Nanni, TKKG und zu meiner besonderen Besorgnis Bibi Claßen. Also reale Influencer­innen und fiktive Charaktere deutscher Hörspielpr­oduktionen. Da geht es um das Computersp­iel Minecraft, das Leben der Reichen und Schönen oder um spannende Kriminalfä­lle.

Aber das ist nicht alles: Erst letzte Woche brachte meine Tochter ein Gedicht mit dem Titel Plätzchend­uft liegt in der Luft zum Auswendigl­ernen aus der Volksschul­e mit nach Hause.

Solange nicht ein echter Innergebir­gler als Youtuber oder Podcast-Influencer das sprachlich­e Erbe Sepp Forchers antritt und ein hiesiger Produzent Alfred Hitchcocks Drei Fragezeich­en ins Gasteinert­al oder nach Innervillg­raten verlegt, habe ich wenig Hoffnung für den Dialekt.

Aber halb so wild. Vielleicht machen die Kinder als Erwachsene einen Onlinekurs, weil Dialekt bis dahin wirklich cool geworden ist. Mir ist es zumindest gelungen, ein paar Begriffe in ihren Wortschatz hineinzusc­hmuggeln, von der Übernahme meiner „Kompliment­e“ganz zu schweigen.

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